„Man muss sich selbst verletzbar machen, im guten Schreiben genauso wie in der guten Liebe“, weiß Tomasz Jedrowski, der in Bremen bei seiner Lesung einen Abend dem Schreiben und dem Lieben gewidmet hat. Am 04. März war es nämlich so weit: Die neue Lesereihe Satzwende vom Bremer Literaturkontor, dem Literaturhaus Bremen und der Bremer Shakespeare Company ging in die erste Runde. Auch für den Gast des Abends, Tomasz Jedrowski, war der Lesungsabend unter der Überschrift #Liebe etwas ganz Besonderes, denn Jedrowski wuchs in Bremen auf, bevor er mit 16 Jahren in die weite Welt aufbrach. In der Shakespeare Company las er nun vor vielen begeisterten Leser*innen, vor Freund*innen und der Familie.
Im Gespräch mit Moderatorin Esther Willbrandt ging es zuerst um den Bremer Schulhausroman, den Tomasz Jedrowski in diesem Schuljahr an der Oberschule In den Sandwehen betreut hat. Die Schüler*innen der Klasse 8E, die mit dem Schriftsteller zusammenarbeiten konnten, waren an diesem Abend extra zur Lesung angereist, um ihren Mentor zu unterstützen. Jedrowski schwärmte vom offenen Umgang und der Ehrlichkeit der Schüler*innen, die mit ihm am Vortag im letzten gemeinsamen Workshop noch einmal am Text gearbeitet und einen Titel festgelegt hatten. Die Buchpremiere feiert der erste Roman der Schüler*innen im Juni ebenfalls in der Bremer Shakespeare Company – und dann wird Tomasz Jedrowski im Publikum sitzen!
Anschließend ging es um das Thema Selbstliebe und den Programmpunkt, dem die Lesereihe ihren Namen Satzwende zu verdanken hat: die Kolumne im Literaturmagazin Bremen. Im März schreibt Tomasz Jedrowski passend zur Lesung im Magazin über das Thema #Liebe – allerdings nichts Romantisches! „Ich habe geschrieben, was ich selbst gerne lesen würde“, erzählte er. Zu seinem Text inspiriert wurde er von Maragarete Stokowskis Essays im Band Untenrum frei. Diese „brutal ehrlichen“ Texte veranlassten ihn dazu, sich seine eigene Geschichte zur Brust zu nehmen. So schreibt Jedrowski im ersten Teil der Kolumne über seinen langen Weg zur Selbstliebe und verriet im Gespräch, dass das Geschriebene plötzlich „noch mehr die Wahrheit“ wurde und auf dem Papier eine andere Macht entwickelte. Kein Wunder, dass die Lesung der Kolumne Von der Selbstliebe besonders berührend geriet.
Im Wasser sind wir schwerelos hießt Tomasz Jedrowskis Debütroman, der vom Guardian als Buch des Jahres 2021 gefeiert wurde und dem sich das Gespräch im Anschluss zuwandte. Der Schriftsteller erzählte von den Figuren und seinen Recherchen zum Roman, in dem es um die Liebe zwischen Ludwik und Janusz im Polen der 1980er Jahre geht. Einer Liebe, die im politischen System unmöglich ist und daran nach einem magischen Sommer zerbricht. In Bremen las Jedrowski aus der deutschen Übersetzung des Romans und verriet, dass diese ihn an eine Coverversion eines Lieblingssongs erinnere: Oft stolpere er über die Worte, die jemand anderes für seine Geschichte gewählt habe. Bei der Lesung aus mehreren Passagen des Romans fiel das aber nicht auf. Anschließend wurde das Gespräch geöffnet und viele der Zuhörer*innen aus dem Publikum meldeten sich mit Fragen an den Schriftsteller. Schließlich ging es noch um ein Lieblingsbuch des Autors: Denn nicht nur im Roman, auch für Jedrowski selbst spielte James Baldwins Roman Giovannis Zimmer eine entscheidende Rolle. Zum ersten Mal fühlte sich der Autor darin literarisch repräsentiert und wusste: „Wenn ein Buch eine solche Macht haben kann, dann will ich auch schreiben!“ Und was für ein Glück war das, denn sonst hätten wir diese wundervolle Lesung nicht erleben können!
Text: Annika Depping