Diese Woche erscheint im LYX Verlag endlich die deutsche Ausgabe von Felix Ever After, übersetzt wurde das Buch von Maike Hallmann. Ich schreibe „endlich“, weil ich schon so lange darauf gewartet habe.
In Felix Ever After erzählt Kacen Callender die Geschichte des 17 Jahre alten Felix Love. Felix ist Schwarz, trans und queer und obwohl er mit Nachnamen Love heißt, war er noch niemals in seinem Leben verliebt. Genau genommen hat Felix ziemliche Angst davor, sich in jemanden zu verlieben. Seine größte Angst ist es, nicht liebenswert zu sein, weil er anders ist als so viele andere Jugendliche um ihn herum. Als er über Instagram anonyme Hassnachrichten erhält, beschließt er, sich dagegen zu wehren und setzt damit eine Geschichte in Gang, in der es um Liebe, Freundschaft und die Suche nach der eigenen Identität geht.
Als ich das Buch gestern im Buchladen auspackte, um es auf den Tisch mit den Neuerscheinungen zu legen, war ich glücklich. Auf dem Cover des Buches ist eine Zeichnung von Felix: Felix posiert im grauen Unterhemd und mit stolzem Blick, um ihn herum sind Blumen zu sehen, auf seinen Armen Tattoos und auf der Brust sichtbare Narben einer Mastektomie. Diese Art der Sichtbarkeit und Repräsentation ist so wichtig – und leider noch viel zu selten.
Es macht mich hoffnungsfroh, dass ein deutscher Verlag sich getraut hat, Felix Ever After zu veröffentlichen. Es gibt so viele tolle queere Jugendbücher, die es aber bisher alle nur auf Englisch gibt. Ich denke dabei an I wish you all the best von Mason Deaver, Meet Cute Diary von Emery Lee oder Pet von Akwaeke Emezi. Wenn ich mir englischsprachige Jugendbücher anschaue und all die vielfältigen Perspektiven darin, dann frage ich mich oft, warum nur so wenige dieser Bücher ins Deutsche übersetzt werden – und warum unsere Auswahl an Jugendbüchern im Vergleich dazu deutlich altbackener und farbloser erscheint. (Eine Ausnahme davon ist das Buch Bunte Fische überall von Kathrin Schrocke, die witzig und charmant von einem Mädchen mit zwei Vätern erzählt.)
Fehlen uns hier die Stimmen, die diese Geschichten erzählen könnten? Oder fehlt es den Verlagen an Mut, diese Stimmen zu veröffentlichen und ihnen eine Bühne zu geben?
Ich habe darauf keine Antwort, ich habe nur an mir selbst festgestellt, dass ich auch als Erwachsener eine große Begeisterung für Jugendbücher habe: Seit meinem Coming-Out als trans Mann lese ich mit viel Freude Bücher, in denen junge Menschen auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind – das ist auch der Stoff, der mich in Fernsehserien am meisten begeistert. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die beiden Coming-of-Age-Serien Euphoria und We are who we are zu meinen Lieblingsserien gehören. In all diesen Geschichten geht es um Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind und dabei viele Dinge zum ersten Mal ausprobieren. Es geht immer um Neugier, Freude, Angst und den Wunsch danach, etwas zu erleben. Das berührt mich, denn auch wenn ich schon 35 Jahre alt bin, habe ich das Gefühl, dass ein großer Teil von mir diese jugendliche Erfahrungswelt nachfühlen kann.
Autor*innen, die Jugendbücher schreiben, schreiben diese Bücher nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. In einer englischsprachigen Studie aus dem Jahr 2012 wurde festgestellt, dass 55% der Menschen, die Jugendbücher kaufen, Erwachsene zwischen 30 und 44 Jahren sind – auch wenn es natürlich nicht möglich ist festzustellen, ob all diese Menschen die Bücher auch selbst lesen oder verschenken. Zu diesen 55% gehöre ich auf jeden Fall auch und ich finde es spannend, darüber nachzudenken, welche Erklärungen es dafür gibt – Antworten habe ich keine, nur Ideen. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass hinter dieser Hinwendung zu Jugendbüchern ein Wunsch nach Selbstheilung steckt. Gerade queere Erwachsene können ihre Identität oder Sexualität als Jugendliche oft nicht ausleben – Jugendbücher bieten die Möglichkeit, noch einmal in der Zeit zurückreisen zu können.
Und das Schöne an Büchern wie Felix Ever After ist, dass in diesen Geschichten nicht nur die Erfahrung von Leid oder Ausgrenzung im Vordergrund stehen, sondern auch die Freude und der Wunsch danach, das Leben auszukosten und zu genießen.
Mein Wunsch ist es, noch mehr dieser Bücher zu haben! Mein Wunsch ist es, dass noch mehr Verlage sich trauen, queere Jugendbücher ins Deutsche zu übersetzen und dass es uns gelingt, auch hierzulande Stimmen zu finden, die diese Geschichten erzählen können. Ich weiß, was es mir bedeutet, ein Buch wie Felix Ever After in der Hand zu halten und kann mir in etwa vorstellen, was es Jugendlichen bedeuten muss. Ich wünsche uns, dass wir uns noch viel öfter in Geschichten und auf Buchcovern wiederentdecken können!
FELIX EVER AFTER | Kacen Callender | Übersetzung: Maike Hallmann | ROMAN LYX | Köln 2021 | 363 S. | €18,00