Dieses Mal fühlt es sich ein bisschen komisch an, meine Kolumne zu schreiben, da ich letzte Woche zu Besuch in Bremen war. Im Wallsaal der Stadtbibliothek habe ich aus meinem Buch Ich bin Linus. Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war gelesen. Da mein Buch im vergangenen Jahr zwischen zwei Lockdowns erschienen ist, habe ich bisher noch nicht so viele Lesungen machen dürfen. Bei dieser Lesung war ich besonders aufgeregt, weil die Reise nach Bremen gleichzeitig auch eine Reise in meine Heimatstadt gewesen ist. Während es sich bisher manchmal etwas fremd angefühlt hat, Kolumnen für das Literaturhaus Bremen zu schreiben, schreibe ich diese Woche mit frischen und schönen Erinnerungen in meinem Kopf.
Bei jeder Lesung, die ich bisher hatte, bin ich überrascht davon, wie freundlich, interessiert und zugewandt das Publikum ist. Wenn Betroffene – ich mag das Wort nicht so besonders, aber benutze es hier dennoch – ihre eigenen Geschichten erzählen dürfen, hat das manchmal etwas sehr Voyeuristisches. Ich wollte keine Betroffenheitsliteratur erzählen, ich mag stattdessen lieber das Wort Selbstermächtigung.
Ich möchte mit meinem Blick auf meine Geschichte andere dazu ermächtigen, ihr eigenes Leben ebenfalls zu hinterfragen.
Deshalb ist es mir bei meinen Lesungen wichtig zu zeigen, wie glücklich und zufrieden ich mit mir, meinem Leben und meinen Entscheidungen bin. Ich wünsche mir, dass Menschen nach einer Lesung mit mir nach Hause gehen und dabei denken „Dieser Mann ist glücklich“ und nicht: „Oh, dieser Mann tut mir leid.“
Für mich war mein Auftritt in Bremen ein schöner Abend, den ich sehr genossen habe. Umso trauriger war ich darüber, dass ich meine Veranstaltung am Folgetag krankheitsbedingt absagen musste. Geplant hatte ich einen Nachmittag, an dem ich meine liebsten queeren Kinderbücher vorstellen wollte. Ich hoffe sehr, dass wir das geplante Format im kommenden Jahr nachholen können. Bis es so weit ist, möchte ich meine Kolumne dafür nutzen, meine aktuellen Lieblinge – einmal quer durch alle Altersstufen – vorzustellen.
In dem Kinderbuch Theo liebt es bunt von Samuel Langley-Swain geht es um das Wiesel Theo. Theo ist anders als die Wiesel um ihn herum. Er liebt es, sich auffällig und bunt zu kleiden, während die anderen Wiesel es lieber schlicht halten. Die Ablehnung von Theo geht so weit, dass seine Mitwiesel ihn dazu zwingen wollen, sich dem Rest der Gruppe anzupassen – aber dazu liebt Theo seine bunten Kleidungsstücke einfach viel zu sehr!
Theo liebt es bunt ist ein berührendes Vorlesebuch ab 4 Jahren, nicht nur darüber wie es ist, anders zu sein, sondern auch darüber, wie wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen.
Oskar Kroon erzählt in Warten auf Wind die Geschichte von Vinga, die den Sommer bei ihrem Opa auf einer schwedischen Insel verbringt. Vinga freut sich darauf, an dem baufälligen Boot zu werkeln, das ihr ihr Opa geschenkt hat. Doch sie muss auch immer wieder an Mama und Papa denken, die sich zu Hause gerade trennen. Als Vinga auf der Insel Rut kennenlernt, verändert sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen, denn plötzlich hat sie zum ersten Mal das Gefühl von einem anderen Menschen gemocht zu werden – und fragt sich, was eigentlich dieses komische Gefühl in ihrem Bauch bedeutet. Sind das etwa Schmetterlinge?
Warten auf Wind ist eine schöne Geschichte zum Selberlesen ab 10 Jahren, in der charmant und unaufgeregt davon erzählt wird, dass zwei Mädchen Gefühle füreinander entwickeln.
Linda Becker, Julian Wenzel und Birgit Jansen haben dieses Jugendsachbuch ab 11 Jahren zu dritt herausgegeben und ich bin so froh darüber, dass es dieses Buch gibt! In insgesamt zehn Kapiteln geht es um Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung, es werden Begriffe erklärt, es gibt Interviews und Erfahrungsberichte und zwischendrin auch die eine oder andere Mitmachseite, auf der Jugendliche durch kleine Fragen und Aufgaben zum Nachdenken angeregt werden.
Ein wichtiges Buch, das sensibilisiert, aufklärt und ermutigt – und übrigens nicht nur für junge Menschen geeignet ist, sondern auch für Eltern, die ihre Kinder besser verstehen wollen.
THEO LIEBT ES BUNT | Text: Samuel Langley-Swain | Illustration: Ryan Sonderegger | Übersetzung: Ursula C. Sturm | KINDERBUCH Knesebeck Verlag | München 2020 | 32 S. | €13,00 | ab 4 Jahren
WARTEN AUF WIND | Oskar Kroon | Übersetzung: Stefan Pluschkat | KINDERBUCH Hummelburg Verlag | Ravensburg 2021 | 256 S. | €12,99 | ab 11 Jahren
WAS IST EIGENTLICH DIESES LGBTIQ*? | Text: Linda Becker und Julian Wenzel | Illustration: Birgit Jansen | KINDER- UND JUGENDSACHBUCH migo Verlag | Hamburg 2021 | 128 S. | €15,00 | ab 11 Jahren