queerupyourlife #8: Glitter

von Linus Giese

Logo der Queer (L)it!-Reihe

Cover des Glitter-Magazins Nummer 5
Illustration: Natyada Tawonsri, Graphic Design: Studio Hong

Ich fühle ein bisschen Traurigkeit und Wehmut beim Schreiben dieser Kolumne – weil es meine letzte in dieser Reihe sein wird. Gleichzeitig empfinde ich sehr viel Glück und Stolz, wenn ich daran denke, dass ich an dieser Stelle Platz und Raum dafür bekam, mir über queere Literatur Gedanken zu machen

Hinter dem Titel der Kolumne – Queer up your life – stand mein Wunsch, möglichst vielen Menschen Lust darauf zu machen, queere Literatur zu entdecken, queere Bücher zu lesen und queere Perspektiven in das eigene Leben hineinzulassen. Besonders wichtig war es mir dabei, auch die Menschen zu erreichen, die bisher möglicherweise noch nicht allzu viele Berührungspunkte mit queeren Autor*innen haben. Vor ein paar Tagen sprach ich mit einer Kundin im Buchladen, die mir erzählte, dass sie sich den neuen Roman von Jonathan Franzen gekauft habe, aber große Schwierigkeiten habe, ihn zu lesen, weil sie es gar nicht mehr gewöhnt sei, Bücher zu lesen, die aus der Perspektive eines Mannes erzählt werden. Wie interessant! Ich glaube, dass es tatsächlich möglich ist, den eigenen Geschmack zu trainieren – ich habe vor zehn Jahren auch noch überwiegend Bücher von weißen und mittelalten Männern gelesen, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, dass da etwas in meinem Leben fehlt.

In diesem Sinne ist auch mein letzter Tipp zu verstehen, den ich euch ans Herz legen möchte. Es handelt sich dieses Mal nicht um ein Buch, sondern um eine Literaturzeitschrift. Die Literaturzeitschrift Glitter bezeichnet sich selbst als die Gala der Literaturzeitschriften – sie ist die erste und einzige queere Literaturzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Gegründet wurde sie von Donat Blum, der 2018 im Ullstein Verlag sein Romandebüt Opoe veröffentlichte. Einen Roman, der zeitgleich von der Suche nach den eigenen Wurzeln erzählt, aber auch von einer queeren Identitätsfindung. Wenn wir uns die damalige Rezeption des Romans anschauen, könnten wir den Eindruck bekommen, dass die deutschsprachige Literaturwelt 2018 noch nicht bereit für queere Geschichten gewesen ist. Der taz-Journalist Stefan Hochgesand hält in seinem damaligen Text fest, dass der zweite (queere) Strang des Buches in kaum einer Rezension Erwähnung fand. Dazu fallen mir sofort zwei Fragen ein: Warum war das damals so und wäre das heute anders? Oder wie Donat Blum es in der zweiten Glitter-Ausgabe selbst formulierte:

„Gibt es queere Literatur so selten, wie es scheint, oder fehlt es ihr nur an Sichtbarkeit?“

Die Glitter existiert seit fast fünf Jahren, passenderweise erscheint in diesen Tagen die fünfte Ausgabe. Insgesamt 35 Autor*innen (darunter u.a. Stephan Lohse, Simone Meier und Janna Steenfatt) sind mit ihren Texten vertreten. Im Editorial zur neuen Ausgabe schreibt Donat Blum:

„Der deutschsprachige Literaturbetrieb ist eine der letzten – gerade noch so wirkmächtigen – gesellschaftlichen Institutionen, die über Jahrhunderte gewachsen sind. Nicht wenige Verlage blicken auf eine mehr als 150 Jahre alte Tradition zurück. Und sie pressen Kunst in eine stark reglementierte Form, die sich bemerkenswerterweise zeit ihres Bestehens und trotz existentieller Bedrohung kaum verändert hat. Entsprechend hinken moralische Vorstellungen und progressives Denken des Literaturbetriebs denjenigen anderer Kunstsparten hinterher. Streaming hat die Musik- und Filmszene revolutioniert und queere Inhalte an die Oberfläche gespült. Die erzählende und lyrische Literatur im deutschsprachigen Raum geht hingegen mehr und mehr in Sendepause.“ Und weiter: „Gegen all das kämpfen wir mit Glitter an. Wir rücken queere Realitäten in den Mittelpunkt und machen damit Literatur wieder relevant: Als Akt der Selbstermächtigung von uns queeren Autor*innen und als Resonanzraum, in dem sich Literaturbetrieb und Gesellschaft reflektieren und die Selbstwahrnehmungen diversifizieren können.“

Bei diesen Worten schlägt mein queeres Buchhändlerherz sofort höher! Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber ich glaube darüber hinaus, dass sich in den letzten zwei Jahren – seit Opoe 2018 erschienen ist – einiges verändert hat. Wie großartig ist es zum Beispiel, dass mit Antje Rávik Strubel eine queere Autorin den Deutschen Buchpreis gewinnen konnte? Wie großartig ist es, dass es Bücher wie das von Hengameh Yaghoobifarah oder Sasha Marianna Salzmann gibt? Das macht mir Mut! Und die fünfte Ausgabe der Glitter ist der krönende Abschluss für dieses Jahr, in der Hoffnung, dass im nächsten Literaturjahr viele weitere queere Bücher veröffentlicht werden.

P.S.: Kaufen könnt ihr Glitter hoffentlich bald auch in einem Buchladen in Bremen, aber ansonsten u.a. auch hier:

queerbooks, Zürich

Löwenherz, Wien

Prinz-Eisenherz, Berlin

 

Mehr Infos findet ihr online hier:

> glitter-online.org

> facebook.com/glitteratur

> Instagram @glitter_magazin


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