Seit Dezember 2020 arbeite ich in der Berliner Buchhandlung She Said. Das Besondere unserer Buchhandlung ist, dass wir (fast) ausschließlich Bücher von Frauen und queeren Autor*innen verkaufen. Anders als in vielen anderen Buchhandlungen ist die queere Literatur bei uns also nicht die Nische, sondern das Hauptaugenmerk. Alle anderen Bücher können selbstverständlich bei uns bestellt werden, aber sie stehen nicht in den Regalen und sie liegen nicht auf den Tischen aus – dieser Platz ist Büchern vorbehalten, die ansonsten oft Gefahr laufen, ein wenig unterzugehen.
Für mich ist die Arbeit bei She Said außergewöhnlich. Bei den Menschen, die zu uns kommen, muss ich keine Überzeugungsarbeit mehr leisten – sie suchen ganz bewusst nach queerer Literatur. Dabei fällt mir oft auf, dass der Bedarf viel höher ist, als das Angebot:
Es gibt immer noch viel zu wenig queere Bücher. Es gibt immer noch viel zu wenig queere Autor*innen, die ihre Geschichten veröffentlichen dürfen. Es gibt immer noch viel zu wenig queere Verlagsmitarbeiter*innen. Queer ist kein Modewort und kein Trendthema, sondern die Lebensrealität vieler Menschen.
Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen geht, aber ich lese Bücher, um mich selbst darin sehen zu können. Bücher sind für mich ein Fenster, durch das ich die Welt sehen kann und gleichzeitig mich selbst gespiegelt sehe. Wenn ich lese, erfahre ich etwas über mich, über mein Leben. Wenn ich lese, fühle ich mich weniger allein. Als ich mich als trans Mann geoutet habe, war es das Buch Darling Days von iO Tillet Wright, das mir das Gefühl gab, dass ich okay bin, so wie ich bin. Wenn sich – vor allem junge – queere Menschen nicht in Büchern wiederfinden können, dann fangen sie im schlimmsten Fall an, sich für einen Teil ihrer Identität oder ihres Begehrens zu schämen.
Kürzlich habe ich in Magdeburg aus meinem Buch Ich bin Linus gelesen. Viele der jungen Menschen, die im Publikum saßen, haben im Anschluss nach Buchtipps gefragt. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine junge trans Frau, die nach einer Geschichte suchte, mit der sie sich identifizieren konnte. Sie war verzweifelt auf der Suche nach Romanen, in denen es Menschen gibt, die sind wie sie. Menschen, die auch auf der Suche nach ihrer Identität sind. Der Moment, in dem wir uns selbst in Büchern wiederfinden können, kann ermutigend oder gar lebensverändernd sein. Deshalb sind queere Bücher so wichtig, sie können uns an die Hand nehmen und helfen uns dabei zu wachsen.
Ich habe meine Kolumne Queer up your life genannt, weil ich all den jungen Menschen, die ich auf meinen Lesungen treffe, wünsche, dass es noch viel mehr Bücher geben wird, in denen sie sich wiederfinden können. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass auch Menschen, die nicht queer und trans sind, unsere Geschichten als spannende und lesenswerte Erweiterung ihrer Perspektive empfinden. Ich glaube, dass wir alle davon profitieren können, wenn unsere Buchhandlungen und Bücherregale noch vielfältiger, noch diverser und noch queerer werden.