#94 Dolf Hermannstädter: "Unser Anspruch ans Heft war, die Punkszene zu verbessern." [34:25]

01. August 2024

Dolf Hermannstädter
© Frieda Ahrens

Seit 1986 gibt es das Trust Fanzine. Es ist das am längsten existierende Punk-Fanzine der Welt – und kommt aus Bremen. Und zwar aus dem Dachgeschoss des Bremers Dolf Hermannstädter. Er ist Herausgeber des Heftes und hat sich mit Frieda Ahrens für den Literaturhaus Podcast darüber unterhalten, was sich in den letzten fast 40 Jahre geändert hat, ob ein Punk-Zine immer politisch ist und wie man über Musik schreibt. 

Zum Nachlesen

Frieda Ahrens: 

Hallo und herzlich willkommen zur neuen Folge des Literaturhaus Podcast, diesmal mit Frieda Ahrens und zu Gast in dieser Folge ist Dolf Hermannstädter, der Herausgeber des Trust Fan-Zines. Hallo Dolf, herzlich willkommen.

Dolf Hemannstädter: 

Hallo Frieda, vielen Dank, dass ich mitmachen darf. 

Frieda Ahrens: 

Obwohl, eigentlich müsstest du ja herzlich Willkommen sagen, weil ich bin bei dir zu Hause in Bremen. Ist das hier der Ort where the Magic happens? 

Dolf Hermannstädter: 

Nicht genau das Zimmer, in dem wir uns befinden, aber der Ort, Ja, das ist where magic is happening seit über 24 Jahren. Jetzt hier in Bremen. 

Frieda Ahrens: 

Wenn du sagst, nicht dieser Raum, dann meinst du, man müsse nach oben gehen. 

Dolf Hermannstädter: 

Richtig. Ich habe ein kleines Büro oben. 

Frieda Ahrens: 

Für alle, die nicht wissen, was das Trust ist, stelle ich noch mal ganz kurz das Magazin vor. Und du kannst mich ja unterbrechen, wenn ich falsch recherchiert habe. Trust gibt es seit den 80er Jahren, also seit 86, und es ist eine Zeitschrift, ein Fanzine, das sich mit Punk, Hardcore und Independent Music auseinandersetzt. Ich habe gelesen, dass es am längsten existierende Punk Fanzine der Welt und du als Herausgeber sitzt in Bremen. Hier ist where the magic happens. Es erscheint alle zwei Monate und wird vom gleichnamigen Verlag herausgegeben. Und du bist der Herausgeber. 

Dolf Hermannstädter: 

Genau richtig. 

Frieda Ahrens: 

Vielleicht magst uns mal zurück vom Anfang erzählen, wie das entstanden ist? 

Dolf Hermannstädter: 

Ja, das kann ich machen. Es ist kein Problem. Also, wie du richtig gesagt hast, wir sind zum ersten Mal im 1986 erschienen, im Juni. Und dem vorausgegangen war ein Treffen am 23.03.86, also des gleichen Jahres in Heidenheim mit eine ganze Menge süddeutscher Szene-Aktivisten und -Aktivistinnen. Und es war einfach so ein loses Zusammenkommen, um Dinge zu besprechen, die damals für uns, also für die relativ neue Hardcore Punk Szene in Süddeutschland wichtig waren. Also Veranstaltungsinformationen austauschen, sich gegenseitig kennenlernen, weil man sich ja nur entweder vom Telefon oder fast eher noch vom Briefeschreiben kannte damals. Sich mal beschnuppern, ein paar Bier trinken. Und so weiter. Und bei dem Treffen ist dann die Idee entstanden, weil 1986 diese Art von Musik wurde einfach in der normalen Presse nicht gefeatured. Es gab zwar schon sehr viele Punk Fanzines in Deutschland, die waren aber alle unregelmäßig. Ich habe 1983 das Maximum Rock'n'Roll kennengelernt. Es war ein amerikanisches Fanzine, Punk Fanzine. Das einmal im Monat erschienen ist und das hat für mich eine ganz neue Welt eröffnet. Und so was wollten wir auch machen. Allerdings haben wir uns gegen die monatliche Erscheinungsweise entschieden, sondern haben uns für die zwei monatliche entschieden. Und bei dem Treffen haben wir dann überlegt, wir müssen so was zusammen machen. Da haben sie dann fünf Leute herauskristallisiert aus unterschiedlichen Städten in München, Augsburg, Hamburg und Nagold, die da mitmachen wollten. Und dann haben wir gesagt: Ja, das machen wir, wir brauchen eine hohe Auflage, wir wollen regelmäßig erscheinen. Und dann gleich ein paar Monate später, also mindestens 86, dann vom März, praktisch das Treffen mit der Entscheidung, dieses Heft zu machen, dann drei Monate zu benötigen, um es tatsächlich zu erstellen - die erste Ausgabe. Das fand ich schon ganz ordentlich und seitdem erscheint es alle zwei Monate erst dann aus Süddeutschland, dann aus Augsburg und jetzt eben seit 1988 aus Bremen. 

Frieda Ahrens: 

Und wie ist das Magazin aufgebaut? Also wie habt ihr euch damals entschieden, das so zu strukturieren? 

Dolf Hermannstädter: 

Wir haben uns eigentlich an diesen Max und Rock'n'Roll orientiert, die am Anfang Leserbriefe hatten, dann Kolumnen der der festen Mitarbeiter, dann gab es Band-Interviews und Szene-Report aus der ganzen Welt und dann gab es Fanzine-Rezensionen, also andere Fanzine-Besprechungen und dann Tonträger-Rezensionen. Da haben wir eigentlich fast nur Platten- bzw. Tape-Rezensionen. Und das war eigentlich auch so unsere Struktur, an der wir festgehalten haben, wie eben gerade aufgezählt. Im Laufe der Zeit sind dann gerade Szene-Berichte immer weniger geworden und wir haben uns darauf fokussiert, dass wir tatsächlich Band-Interviews bzw. soziopolitische Artikel zu unterschiedlichen Themen: Gleichberechtigung, gegen Rassismus, gegen Faschismus, für Vegetarismus, für Tierrechte. Also die ganzen Themen, die mittlerweile jetzt hier in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und auch entsprechend heftig verhandelt werden. Um die haben wir uns Mitte der 80er Jahre schon gekümmert und haben deswegen auch eine ganz gewisse Expertise in all diesen Bereichen. Das war die Struktur des Heftes. Wir wollten von Anfang an schwarz-weiß machen, hatten kein Interesse an Farbe, weil es damals viel zu teuer war, also überhaupt nicht machbar gewesen. Und es war natürlich eine ganz andere Zeit. Also wir hatten das Glück, dass einer der Mitstreiter als Drucker gearbeitet hat in der familieneigenen Firma. Und deswegen hatten wir Zugang zu so großen Kameras, um Fotos zu rastern und die dann entsprechend auf die Montagen-Bögen später zu kleben, damit dann davon wiederum Filme gemacht werden können, von denen dann wiederum die Druckvorlage gemacht wird. Das war dieses ganz klassische Offset-Druckverfahren, das dann aber eben von der Druckerei gemacht wurde. Und das Layout haben wir auch selber gemacht, also auch learning by doing mit Stift und Schere. Und so ging es damals los und seitdem haben wir eben entsprechend die Entwicklung mitgemacht bis zum jetzigen Zeitpunkt. Das sind 226 Hefte in den 38 Jahren, wo wir jetzt eben alles komplett digital erstellen, wo ich die Hefte gar nicht mehr in die Hand nehme, weil früher haben wir natürlich auch den Versand selber gemacht, Etiketten geklebt, verpackt etc. Das macht jetzt alles der unserer jetzigen Druckerei angeschlossene Lettershop und es ist alles nur noch digital sowie so wie es digital geht. Jetzt macht sich der eine oder andere fragen: ja, wenn sowieso alles digital ist, warum gibt es dann noch ein gedrucktes Heft? Das will ich gleich mal anfügen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Menschen nicht dafür gemacht sind, ständig auf den Bildschirm zu gucken, in welcher Form auch immer. Ob Handy, Tablet oder Laptop oder normaler TV- oder oder Rechnerbildschirm. Und weil es ein haptisches Erlebnis ist und weil alles beim Menschen oder der Menschheit ein Anfang und Ende hat und wenn das Heft… das Internet hat kein Ende und ist ein Riesenproblem, das wird man auch feststellen im Laufe der nächsten Generationen. Aber deswegen wollen wir weiterhin Hefte drucken, weil wir eben nicht mit diesen digital, mit dem Digitalpublizieren in der Form einverstanden sind. Wir finden es super: Für Nachrichten und andere Formate ist digital ganz toll. Also wir sind keine Technikfeinde oder Digitaleinde. Wir finden es super, aber gerade für so ein Heft, wo es dann um Bands, um Fan-Interviews geht, wo Menschen irgendwie mit ihren Helden sprechen, von früher oder mit neuen Bands, die sie vorstellen wollen. Da denken wir eher analog ist einfach gemacht, damit es bleibt, während digital gemacht ist, dass es verschwindet. Und da wir es eben schon so lange machen und so eine lange Historie haben, wollen wir es auch tatsächlich in der Form weitermachen, so lange wie es geht. Wie lange das gehen wird, weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand.

Frieda Ahrens: 

Und wie kommst du als Herausgeber quasi an die Texte? Also hast du ein Team von festen Mitarbeiter:innen, die immer dir zuarbeiten? Oder sind auch immer wieder neue Leute dabei? Und wie wählt man dann aus, wer publizieren darf oder wer Texte einsenden darf? 

Dolf Hermannstädter: 

Also wie gesagt, von Anfang an waren wir fünf Leute, da haben die fünf Leute im Prinzip fast alles mehr oder weniger allein gemacht. Im Lauf der Jahre hat sich das dann natürlich geändert. Es kamen neue hinzu und manche sind weggebrochen, weil natürlich außer mir von der - nicht nicht natürlich - aber außer mir ist von der Originalbesetzung niemand mehr mit dabei. Und es hat sich im Lauf der Jahrzehnte alles auseinandergebrochen. Und dann sind im Laufe der Jahrzehnte tatsächlich immer sehr viele neue Menschen dazugekommen und wieder weggegangen und wieder dazugekommen und sind weggegangen. Das war für mich auch ein ziemlich schwerer Lernprozess, weil man denkt ja immer dann gerade, als - wir waren damals ja relativ jung, also ich war 21 - man denkt ja immer, das ist jetzt für immer. Und es war ja nicht nur eine Business Connection, sondern wir waren ja auch alle befreundet. Es ging ja und wir wollten ja die Welt verändern oder zumindest unsere Szene. Und wenn da natürlich irgendwie Dinge sich ändern, Leute erwachsen werden, die Meinungen auseinandergehen, dann ist es immer ziemlich hart und man denkt immer wieder vom neuen: Mist. Jetzt haben wir irgendwie das, das Team wir verloren, das macht die nicht mehr mit der Macht nicht mehr mit. Aber es ist auch ein Lernprozess in dem Fall für mich über die Jahrzehnte. So ist die Welt, die Dinge verändern sich. Ich kann von Glück reden, dass es das Trust lang überhaupt gibt, dass ich da also auch vieles verändert hat, aber die Grundstruktur sozusagen gleichgeblieben ist. Und insofern habe ich mich daran gewöhnt, dass immer wieder neue Leute an Bord kommen. Und die einen bleiben ein Jahr, die andere bleiben fünf Jahre, andere bleiben zehn Jahre und gehen dann wieder von Bord. Jetzt ist wieder eine mal wieder zurückgekommen. Noch mal wieder ein Text gebracht, der vor 20 Jahren schon ausgestiegen ist. Das ist das wahrscheinlich die nächste Stufe, dass dann Leute, wenn sie ihre, was auch immer, Kinder, Karriere, Umzug oder andere Lebens-Wichtigkeiten erledigt haben, das dann vielleicht auch wieder dahin zurückkommen, wo es ihnen gut gefallen hat. Weil bei uns halt immer noch alles nicht so ist wie früher, aber eine ähnliche Grundstruktur hat. 

Frieda Ahrens: 

Du hast gerade gesagt, das fand ich total spannend, der Anspruch war, auch so ein bisschen die Welt zu verbessern oder auch die Sinne zu verbessern. Hast du dann das Gefühl, wenn du zurückblickst, dass das geschafft wurde? 

Dolf Hermannstädter: 

Also die Welt, dass man die Welt verändern konnten, haben wir sehr schnell abgeschminkt. Das haben wir auch schon selber gemerkt am Anfang, dass das also nicht der Fall sein wird. Deswegen haben wir uns auf unsere oder auf die Szene fokussiert. Also grob die Punkszene. Das wurde dann immer gesplittet in Hardcore Punk und bis heute gibt es irgendwie Tausende von Splits, weil jede Generation halt ihr Distinktionbedarf, befriedigen will und deswegen immer was Neues machen will und muss. Wussten wir damals natürlich auch alles noch nicht. Aber um deine Frage zu beantworten: ich glaube, wir haben sehr viele Leute beeinflusst, weil wir einfach über die Jahrzehnte wahnsinnig viele Leser:innen hatten und wir also immer wieder bestimmte Grundwerte vertreten haben, die eigentlich alle vertreten haben. Trotzdem würde ich jetzt im - es ist ja noch nicht Nachhinein, ich kann ja noch nicht aus dem Nachhinein reden, weil das Heft existiert ja noch zum Glück und es soll ja auch noch weiter existieren. Aber zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, dass zumindest der Anspruch, mit dem ich rangegangen bin, nämlich dann irgendwann zumindest den Kern einer subkulturellen Szene in eine Form von aufgeklärten, gleichberechtigten Menschen, die die gegenüber allen Lebewesen sympathisch sind, zu schaffen - und dabei noch gute Musik hören, Spaß haben und so weiter. Natürlich, also es geht ja nicht nur um Politik und ernste Sachen, sondern wir wollen auch sehr gerne, sehr viel Spaß haben. Da würde ich zum jetzigen Zeitpunkt sagen, das ist leider nicht gelungen, also gesellschaftlich sowieso nich, wenn man sich die Welt heute ansieht. Und leider auch nicht in der Punkszene oder in der Szene, in der wir existieren. Da wurde viel erreicht, aber mit dem Anspruch, dass wir im Jahr 2024 immer noch drüber geredet, ob man Fleisch essen soll oder nicht, ist für mich, der das seit 40 Jahren nicht macht und aus da vor 40 Jahren aus guten Gründen gelernt hat, warum er das nicht machen soll, und man redet heute immer noch drüber, dann finde ich das gesellschaftlich nachvollziehbar, weil es eben die Gesellschaft ist. Aber in der subkulturellen Szene, die sich eigentlich seit vier, fünf Jahrzehnten oder vielleicht sogar schon länger weiß - wir haben das ja auch nicht alles erfunden, davor gab es ja auch schon Hippies. Vor 2000 Jahren gab es Texte gegen Fleischessen. Da würde ich wirklich sagen, wir haben es leider nicht geschafft, was zu verändern. Wir haben vieles in Teilbereichen verbessert. Und wir sind sicher auch mitverantwortlich, dass jetzt viele dieser Themen, Gleichberechtigung der Frau zum Beispiel und die anderen Sachen, die ich vorhin genannt habe, dass die jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, dafür haben wir auch mit gesorgt, nicht dafür allein verantwortlich, gar keine Frage, da haben ganz viele Menschen mitgemacht. Aber wir haben da mitgeholfen. Insofern sind ein paar Sachen besser geworden. Aber den Anspruch, den ich früher hatte, der ist leider nicht dauernd, weil natürlich die Szene auch, muss man auch sagen, ganz viele Menschen sterben mittlerweile auch, weil sie einfach alt sind oder weil sie eben Punkrock-Way gelebt haben und viel zu viel Drogen und Alkohol konsumiert haben oder sich nicht um ihren Körper gekümmert haben. Also sie stirbt aus, diese eine Szene. Natürlich stirbt nicht die Punkszene aus, die gibt es immer noch. Es gibt immer Punk Bands, aber ganz unterschiedlichen Strömungen und genau wie der normalen Gesellschaft. Junge Menschen werden immer in ihre Zeit geboren und haben immer, meistens Interesse an der Gegenwart und der Zukunft und nicht an der Vergangenheit. Das ist auch, es ist einfach so, so sind wir Menschen gestrickt und das bleibt auch so. Frieda Ahrens: Wenn man was verändern will, ist auch eigentlich sinnvoll, in die Zukunft zu denken. Dolf Hermannstädter: Es ist richtig, wenn aber viele Sachen bereits in der Vergangenheit sehr gut gemacht werden, dann muss man sie eigentlich nicht noch mal neu denken, weil das meiste, was neu gedacht wird, ist entweder nicht neu oder es ist nicht gut. 

Frieda Ahrens: 

Ja? 

Dolf Hermannstädter: 

Meistens. Nicht immer. 

Frieda Ahrens: 

Okay gut, weil ich würde sagen, ich habe schon das Gefühl, dass es immer wieder neue Gedanken gibt, die total sinnvoll sind. 

Dolf Hermannstädter: 

Auf jeden Fall. Ich bin auch immer offen für neue Erkenntnisse und neue Gedanken. Wenn es dann ergänzend auf dieses Fundament, das sich ja schon langsam aufbaut, seit Jahrtausenden und dann immer wieder neu bearbeitet wird, dann kommt immer wieder neue Gedanken dazu. Insofern also ich bin da. Ich glaube auf jeden Fall, dass ich erkenntnisoffen bin, obwohl ich weiß, dass es für die meisten Menschen wahnsinnig schwierig ist. 

Frieda Ahrens: 

Ich hatte eigentlich noch als Frage, aber das erübrigt sich ist so ein bisschen, ob so ein Punk-Zine oder so eine Punk-Zeitschrift immer automatisch politisch ist? 

Dolf Hermannstädter: 

Nee, ist es nicht. Es gibt ja ganz viel unpolitischen Punk, deswegen gibt es auch irgendwelche Fanzines, die nur Blödsinn schreiben, oder leider gibt es auch immer noch, gut Fanzines sinds nicht, aber immer noch Bands, die ganz viel von dem, was eigentlich weder in der Gesellschaft, geschweige denn im Punk was zu suchen hat, also meinen dann, wenn sie sexistisch sind, dass sie lustig sind oder Späße auf Kosten von Minderheiten zu machen. Das gibt es leider auch noch, eben auch im Punk. Aber zum Glück ist es ja in dem Fall auch eine Minderheit. 

Frieda Ahrens: 

Wie sieht es denn aus? Ich habe bei Wikipedia gelesen, ich habe es mir aufgeschrieben, damit ich das hier richtig zitiere. Ich habe gelesen, dass ihr euch darauf konzentriert, vor allem Independent und kleine Bands zu zeigen und zu interviewen und die größer zu machen oder bei der Bekanntheit zu helfen und dann habe ich gelesen “Nirvana und viele anderen Bands wurden vor ihrem Durchbruch vom Trust unterstützt.” Da musste ich schmunzeln, weil Nirvana waren ja jetzt wirklich keine kleine Band. 

Dolf Hermannstädter: 

Es war damals war es eine kleine Band. 

Frieda Ahrens: 

Und ihr habt? 

Dolf Hermannstädter: 

Wir waren nicht, natürlich nicht verantwortlich für den Erfolg von Nirvana. 

Frieda Ahrens: 

Das würde ich mir an eurer Stelle auf die Flagge schreiben. 

Dolf Hermannstädter: 

Dann könnte man können wir uns ziemlich viel auf die Flagge schreiben. Aber es stimmt tatsächlich, dass wir Nirvana eben gefeatured haben, glaube ich zumindest, aber will ich jetzt nicht nachschauen, auf jeden Fall im Heft hatten, bevor die groß wurden, da waren es auch eine kleine, in dem Fall nicht Punkrock, da hieß es halt Grunge - wie gesagt, es ändert sich ja jeder Generation. Jede Generation braucht ihren eigenen Namen für ihre eigene Subkultur, auch da. Und so ist überall das Gleiche. Und da gibt es aber ganz viele Bands, die wir sehr früh gefeatured haben, die dann richtig groß geworden sind. Das also ist dann oftmals Zufall und und aber guter Geschmack. Ich zum Beispiel. Ich bin extra nicht zu Nirvana auf ein kleines Konzert gegangen, weil sie damals schon uncool fand. 

Frieda Ahrens: 

Hattest du denn einen Moment oder ein Interview, der dir immer noch, wo du noch stolz drauf bist oder der dir viel Freude bereitet hat? 

Dolf Hermannstädter: 

Auch da gibt es sehr viele. Ich habe die ersten zehn, 15. Ich weiß gar nicht. Ich habe vor vielen Jahren aufgehört, selber Interviews zu machen, weil ich zu viele Interviews gemacht habe. Genauso wie ich aufgehört habe, Rezensionen, Tonträger-Rezensionen zu schreiben, weil ich viel zu viele Tonträger-Rezensionen geschrieben habe. Da waren so viele Interviews, die toll waren, kann ich jetzt kein einzelnes rausziehen.Wir haben mittlerweile, glaube ich auf der Website über 1000 Bands aus der Vergangenheit, die sind natürlich nicht alle von mir, das ist auch ganz wichtig. Also der Inhalt wird von anderen Leuten gemacht, von anderen ehrenamtlich, Schreibenden. Also alle, die mit schreiben dürfen, machen das ehrenamtlich, also werden für die Schreibe-Tätigkeiten oder auch sogar unsere Grafiker für die Layout-Tätigkeiten nicht bezahlt. Leider müssen wir die Druckerei bezahlen, aber ansonsten ist alles ehrenamtlich. Und deswegen habe ich die letzten 15 Jahre zwei Interviews geführt, irgendwann mal mit meiner damaligen Pilates-Lehrerin und neulich noch mit einer Bremer Gruppe, die aber auch schon wieder aufgelöst ist. Und ansonsten machen es die anderen Menschen, die mitmachen. 

Frieda Ahrens: 

Und werden die Texte - redigierst du alles? 

Dolf Hermannstädter: 

Ich lese natürlich immer alles durch. Also ich bin,ich bin praktisch als Verleger für alles verantwortlich. Deswegen lese ich auch alles, A weil es mich interessiert, mir Spaß macht, und B weil ich es auch machen muss, weil ich nix im Heft haben will, zu dem ich nicht stehen kann oder was irgendwie verkehrt ist. Und das ist halt sozusagen mein Job, dass ich die ganze Organisationsarbeit mache. Ich mache die komplette Anzeigenakquise, die Druck-Organisation, die Koordination, also praktisch alles außer Layout und Texte schreiben. Das ist meine Aufgabe. Und ich habe mich damit abgefunden, dass der langweiligste Teil des Ganzen, der meiner geworden ist, weil ich alles andere schon viel zu lang gemacht habe. 

Frieda Ahrens: 

Du hast gerade gesagt, online kann man das sehen, man kann online einiges nachlesen. Und ich habe bei diesen ganzen ganzen Kategorien, Kolumnen, Interviews, Artikeln auch die Kategorie Rezepte gefunden. 

Dolf Hermannstädter: 

Genau das haben wir eine Zeit lang gemacht, als es noch mit dem Vegetarismus bei manchen Leuten relativ neu war und als es noch nicht 4 Milliarden vegetarische Vegan-Bücher von allen möglichen Lifestyle Idioten gab, sondern wo die vegetarischen Rezepte rar gesät waren. Und deswegen haben wir da früher immer vegetarische Rezepte mal wieder abgedruckt, als es noch neuer war. 

Frieda Ahrens: 

Du hast gerade gesagt: Interviews und Rezensionen machst du nichts mehr. Das heißt, es gibt einen Punkt, wo man einfach zu viel gehört hat? 

Dolf Hermannstädter: 

Das mag bei anderen anders sein. Bei mir war es so. Ich hör immer noch die Sachen an, ich schreibe auch noch. Tatsächlich. Also ich schreibe jedes Heft meine Kolumne. Und ich mache mittlerweile seit 15 Jahren wahnsinnig viele Buchrezensionen. Also ich lese circa drei, vier Bücher pro Monat und rezensiere die dann auch alle im Heft. Am Anfang war das in erster Linie Punk Bücher, Szene, Bücher über die Szene, über die Vergangenheit, über die Geschichte, über, da kann man 1000 Sachen machen. Man gibt auch 1000 Bücher und über die Jahre habe ich mich dann aber doch ausgeweitet und lese ganz viel Wissenschaft, Psychologie und Politik. Alles mögliche, was, was einfach interessant ist. Allerdings bin ich jetzt auch am Punkt angelangt, wo ich befürchte, dass es irgendwann mal vielleicht der Zeitpunkt kommt, dass ich so viel gelesen habe, dass ich doch da dran die Lust verliere. Aber ich kämpfe auch dagegen, weil ich sage: Lesen muss man immer. 

Frieda Ahrens: 

Ja, lesen muss man immer. Aber ob man dann darüber schreibt, ist ja die Frage. Also ich kann das gut verstehen, vor allem, wenn du in so Subkulturen dich bewegst, kann es ja auch gut sein, dass sich dann die Themen immer wiederholen und immer wieder Sachen liest, wo du denkst: okay, das weiß ich und das habe ich auch schon gelesen und dann wirds mit weniger spannend, wollte ich jetzt nicht sagen, vielleicht divers in den Thematiken. Der Verlag, der das Trust Zine rausbringt, der bringt nur das Fanzine raus. Richtig? 

Dolf Hermannstäder: 

Genau. 

Frieda Ahrens: 

Ihr macht nicht extra noch Bücher. Andere Sachen? 

Dolf Hermannstädter: 

Nee, wir bringen sonst nichts anderes raus. Wir haben mal vor vielen Jahren zusammen mit dem Ventil Verlag aus Mainz ein Fotobuch gemacht von einer unserer Fotografin, Jane Ulrich. Und das war die einzige andere Kooperation, wo also was anderes gemacht haben. Wir haben auch ‘87 zusammen mit dem vorhin erwähnten amerikanischen Punk Fanzine Maximum Rock'n'Roll eine Zusammenarbeit gemacht. Und zwar hieß es Welcome to Cruise Country. Es war auch ein Foto Fanzines, das Maximum Rock'n'Roll in USA einer zehn 15.000 Auflage gedruckt hat und dort vertrieben hat. Und wir haben das gleiche, allerdings auch viel besserem Papier, für Deutschland und Europa gemacht. Den weiß ich jetzt nicht, nur zwei oder 5000 Auflage, das war es auch noch mal so außer außerhalb von dem normalen zwei monatlichen Erscheinen. Aber ansonsten haben wir keinerlei anderen, keine anderen Bücher draus gemacht. Wir haben sonst auch noch in den 90er Jahren kleine Festivals, kleine Trust-Feste veranstaltet, meistens im Rahmen der Popkomm in Köln, wo dann eben jedes Jahr ein großes Treffen war mit mit immer vier Bands, die diese Tradition der Feste haben wir dann irgendwann mal nach Bremen verlagert und haben dann hier so unser zehn Jahres Heft-Fest gefeiert. Und unser Trust Ausgabe 100, 2003 war es dann 20 Jahre 2006, 25 Jahr, 2011, 30 Jahre 2016 und das letzte Fest, das wir im Bremer Kulturzentrum Schlachthof gemacht haben, wir am elften, als man am 8.2.2020, also ganz knapp vor der Pandemie. Und seitdem ist sowieso alles anders. 

Frieda Ahrens: 

Das war die 200te Ausgabe. Du hast gerade gesagt, du reagierst alles, hast du also das interessiert mich natürlich auch aus dieser literaturwissenschaftlichen Sicht: hast du einen bestimmten Anspruch an die Texte? Also es ist so, dass man guckt: wer veröffentlicht hier, wie ist es geschrieben? Ich kann das ja, also ich bin Journalistin und ich kenne das. Ich habe ganz lange auch für Zeitschriften geschrieben und das ist natürlich immer, je nachdem, für wen du schreibst, ist der Anspruch ein bisschen anders an die Texte. Und so gibt es da so einen Anspruch an den Text? 

Dolf Hermannstädter: 

Dazu muss ich sagen, ich habe das Ganze natürlich nicht gelernt. Ich bin eigentlich komplett aus dem, ich habe einen komplett anderen Beruf gelernt, nämlich Maschinenschlosser, habe da aber nicht sehr lang dran gearbeitet. Deswegen bin ich praktisch Laie. Ich lege auch keinen großen Wert auf Rechtschreibung. Also ich lege schon Wert auf Rechtschreibung. Aber spätestens seit der ersten Rechtschreibreform müsste auch der Letzte erfahren haben, dass auch das ein riesen Konstrukt ist. Und wo wir gerade Kinder mit ganz schön quälen können. Ja, es muss natürlich bei uns reinpassen. Der Text, das heißt, die Leute können eigentlich schreiben, was sie wollen, besonders in ihren Kolumnen, außer wenn es sachlich falsch ist oder wenn es totaler Mist ist, dann schreite ich ein. 

Frieda Ahrens: 

Was meinst du mit totaler Mist? Politisch totaler Mist? Dolf Hermannstäder: Ja, genau. Oder wenn, na, wenn das einfach. Wenn ich sage: Hier, das stimmt nicht, das kannst du über die Person nicht schreiben. Ich weiß es anders, ich weiß es besser. Dann schreite ich ein. Und ansonsten, das entscheide ich immer von Schreiberin zu Schreiber. Die soll meistens Textproben schicken, einfach. Und dann gucken wir, ob es passt. Meistens passt es dann, weil die Leute einfach das Trust kennen und wissen, wenn sie irgendwie, keine Ahnung, prosaische Texte verfassen, könnte zwar auch sein, dass wir das mal lustig finden, aber es ist halt nicht der klassische Text, der im Trust erscheint. Sondern meistens sind das tatsächlich Frage-Antwort-Interviews. Nicht ausschließlich. Wir haben auch Fließtext-Interviews, also wir sind da ziemlich offen mittlerweile. Und ich halte mich sowieso im Hintergrund, weil wenn ich immer nur nach meinem Geschmack gehen würde, dann würde es wahrscheinlich ausreichen, ein Heft pro Jahr zu machen und deswegen lasse ich lieber die jungen Leute ran. Frieda Ahrens: Und wie sieht es aus bei der Auswahl an Bands? 

Dolf Hermannstädter: 

Genauso. Das ist der Vorteil beim Trust. Während andere Zeitschriften, wo man du in dem Fall dann Aufträge bekommen, wo du musst jetzt XY interviewen, sagst du mir, ich will gern XY interviewen, weil du Bock drauf hast. Und dann sage ich in der Regel: Ja, und wenn du dann vernünftiges Interview ablieferst oder einen vernünftigen Fließtext, dann kommt der in der Regel auch ins Heft rein. Und das ist halt das Tolle, warum die Leute gern mitmachen, weil sie halt machen können, was sie wollen und nicht irgendwelche Auftragsarbeiten, wo sie denken: Äh jetzt muss ich diese bescheuerte Band interviewen, die finde ich ja eigentlich total bescheuert. Und das ist ja bei uns ein Vorteil und ich kann mich da halt sehr zurücknehmen. Also manchmal sage ich auch so: Alter, was soll denn das jetzt bei uns im Trust? Und dann, wenn sie mir aber gute Gründe liefern, dann sage ich, nicht immer, aber meistens dann doch dazu Ja. Und dann sind es auch entsprechend gute Texte, weil wir halt gute, gute Leute haben, die einfach gute Texte schreiben, weil sie Texte schreiben wollen. Ich finde, man merkt es, ob jemand Zeilen schindet, weil er dafür Geld bekommt oder ob er sich irgendwie Zeilen raus fließen lässt, weil es ihm Freude bereitet. 

Frieda Ahrens: 

Ist es dann aber auch - dadurch wahrscheinlich begründet, dass es ein Fan-Zine ist, sind es dann ja wahrscheinlich Fans, die von den Bands, wo sie Fan von sind, von denen Text und Interview schreiben. Dann ist es ja weniger kritisch? Es ist eine, es ist eine automatische Zusammenkopplung oder stimmt das gar nicht? 

Dolf Hermannstädter: 

Das ist wahrscheinlich mittlerweile nicht mehr so kritisch, wie es früher war. Früher waren wir sehr kritisch gegenüber irgendwelchen Bands. Also wenn da einmal die Band auf dem falschen Label veröffentlicht hat oder im falschen Club gespielt hat, dann wurde das sofort angesprochen. Zu der Zeit, als wir oder die damalige Hardcore Punkszene dachte, man kann Sachen in die bessere Richtung lenken, was ja nur zum Teil gelungen ist, aber deswegen: Doch. Ich finde auf jeden Fall, dass die Fans auch immer Kritikpunkte an den Bands haben und die werden natürlich auch angesprochen, weil man kann ja Fan von der Band sein, aber irgendwie zwar den musikalischen Output super finden, aber sie denken, dass die jetzt ständig im Fernsehen laufen oder die und die Kampagne finanziert oder mitgemacht haben. Kann man ja auch mal scheiße finden. Deswegen muss man ja nicht gleich kein Fan mehr sein. Also das würde ich nicht sagen. Nein, wir haben auf keinen Fall nur völlig unkritische Fan-Interviews im Heft, sondern ganz im Gegenteil, wir haben kritische Fan-Interviews im Heft. 

Frieda Ahrens: 

Wenn du sagst, es gibt nicht die Auftragsarbeiten, sondern Leute kommen zu dir und schlagen vor, ich kann vor allem von Zeitungen und Zeitschriften, dass das Layout man sagt, wir brauchen aber noch Texte, sonst haben wir zu wenig und deswegen gibt es Aufträge. Ist das ein Problem oder hast einfach genug Leute, die gerne schreiben? 

Dolf Hermannstädter: 

Nee, das war über die Jahrzehnte hin und wieder mal ein Problem. Natürlich. Und ich habe mir mittlerweile, weil die Leute halt ehrenamtlich arbeiten, aber gibt es halt keinerlei Druckmittel. Zwar gibt es natürlich einen Redaktionsschluss und Druck, Unterlagen und usw, das ist natürlich alles strukturiert, aber als ich ich musste vor allem lernen, es auszuhalten, nicht zu wissen, ob das nächste Heft voll wird oder nicht. Und nicht irgendwie ständig panisch nachzufragen Und? Hast du noch was? Habt ihr noch was? Wer hat noch was? Wie lang war das? Wie viel Zeilen sind das? Entspannt war wahnsinnig schwer, weil im schlimmsten Fall stehst nämlich dann da und hast nicht genügend Text, um das Heft zu füllen. Was aber bisher eigentlich noch nie vorgekommen ist. Oder wenn da mal zwei Seiten fehlen, dann macht man zwei großformatige Fotos, weil die müssen aber natürlich auch da sein, weil man kann ja nicht irgendein Passfoto rein. Kann man schon, aber es ist es muss dann schon irgendwie. Wenn man dann schon einen Füller hat, dann soll der Füller irgendwie auch Format haben. Und das war, das musste ich halt vor allem lernen, dass ich da völlig tiefenentspannt und es kommt sowieso, wie's kommt. Man kann es nicht oder ich kann es nicht. Beim Trust lässt sich es nicht steuern. Alle anderen Redaktionen und alle anderen Herausgeber werden sagen: Spinnen die? Das geht doch, So kann man doch nicht arbeiten. Ich weiß, so kann man nicht arbeiten. Wir arbeiten so. 

Frieda Ahrens: 

Super. Ich habe das neue Magazin gekauft und ich habe auch im Internet ein bisschen alte Artikel gelesen und mir ist aufgefallen, dass ihr was macht, was mir immer verboten wurde beim Schreiben. Und zwar, dass ihr die Leute anspricht, also dass ihr sagt zum Beispiel: Ihr kennt doch bestimmt die und die Band. Und jetzt gibt es eine Band, die so klingt, oder Irgendwo stand auch was mit ihr alten Säcke. Ist das so, damit man so eine Gemeinschaft mit den Leser:innen irgendwie herstellt? Oder ist es ist das einfach so, dass das die Art ist, wie man da müsste? 

Dolf Hermannstädter: 

Selbst die individuellen Schreiber:innen fragen. Aber ich glaube, dass es einfach daran liegt, weil die einfach versuchen, so einen auch zum Ausdruck zu bringen, dass es eben nicht so ist: Darf ich dich interviewen? Das sieht man natürlich beim Podcast nicht, dass ich nach oben geschaut habe und so getan habe, wie wenn ich eine mir höher stehende Person ansehe. Deswegen habe ich es noch mal kurz beschrieben. Und ja, ich glaube, darum geht es, dass man das einfach von diesem journalistischen hohen Ross, was es ja durchaus auch gibt. 

Frieda Ahrens: 

Auf jeden Fall. 

Dolf Hermannstädter: 

Dass man dann auch sagt, hier weil wir bei einem seriösen Podcast sind, duzen wir uns nicht, sondern wir siezen uns und lauter so Quatsch. Da haben wir natürlich überhaupt keinen Bock drauf. Auch bei uns ist alles auf Augenhöhe, mehr oder weniger. Natürlich sind manche Leute, die sind dann so Starstruck, wenn sie ihr Idol oder irgendwie in ihrer Kindheitsfan-Traum treffen. das ist einfach nicht mehr auf Augenhöhe ist. Aber das ist dann deren Ding. Aber ansonsten ist alles easy. 

Frieda Ahrens: 

Ich finde es total spannend, wie man da rangeht, über Musik zu schreiben, weil man muss ja auf einem anderen Medium beschreiben, was man hört, also wie das funktioniert? 

Dolf Hermannstädter: 

Ja, das ist natürlich ist, ist und war, für mich zumindest, dass Schreiben über Musik immer eine tolle Sache. Es war vor allem eine tolle Sache, so viel Musik zu hören. Aber mir wurde dann eben das Schreiben über Musik irgendwann mal aus genau den Gründen, die du vorhin genannt hast, langweilig. Weil wenn wir uns einfach über so viele Jahrzehnte macht, dann kann ich einfach sagen, wenn es CD oder Tonträger oder Tape. Mittlerweile kriegen wir auch wieder viele Kassetten-Tapes zugeschickt, weil wir keine reinen Digital-Veröffentlichungen besprechen. Die klingen.... Es ist wahnsinnig schwierig für neue und auch für alte Musiker:innen irgendwas Neues, Innovatives zu machen, was es nicht schon gab. Weil irgendwann mal vor 40 Jahren eine Sau schnell gespielt hast, war es was ganz Besonderes, wenn eine Sau Krach gespielt, das war was ganz Besonderes. Seitdem hat sich das immer mal wieder vermischt, vermengt, auseinanderdividiert, vermischt, vermengt, auseinanderdividiert, neue Aspekte dazugekommen. Es ist alles Crossover, gesampelt, gemischt. Und so weiter. Also um heut noch was wirklich Neues zu machen und auch über andere, ganz andere Stilrichtungen, wenn man Punk und Klassik also zwei, die eigentlich überhaupt nicht zusammengehören, mischen würde, ja dann entweder klingt es wie gewollt und nicht gekonnt. Weil es halt überhaupt nicht passt. Da gab es schon über die Jahrzehnte ganz viele Musik, die einfach Kunst war. Wo man dann gesagt hat, Ich mache jetzt auch Musik. Das ist auch nichts Neues mehr. Das war ja auch schon alles. Und deswegen: Ich bewundere manche Leute wie zum Beispiel den anderen, einen der anderen Bremer Schreiber, nämlich den Stone, der schon seit gefühlt 25 Jahren Plattenrezensionen schreibt. Allerdings nicht nur über Punkbands und fast mittlerweile nur noch über Jazz, Avantgarde, afrikanische Musik. Dass der das immer noch macht, ganz, ganz tolle Sachen, der kann es auch ganz toll beschreiben. Also wenn du mal über Musik schreiben, mit jemand sprechen wollen würdest, dann solltest du mal mit dem sprechen, weil der steckt da voll drin. 

Frieda Ahrens: 

Als letzte Frage vielleicht, weil sie auch so ein bisschen die Idee war, ja auch mal mit Menschen zu sprechen, die im kleinen Verlag haben oder wo es independent ist. Würdest du vielleicht empfehlen, das zu machen? Also macht es Spaß und im Schnitt? 

Dolf Hermannstädter: 

Mir macht's immer noch Spaß, das Publizieren. Auf jeden Fall. Habe ich ja schon vorhin schon gesagt: Über die Jahrzehnte sind Sachen dabei, die irgendwann mal keinen Spaß machen. Man kann bestimmte Fragen nicht mehr hören, weil viele, viele Sachen nerven auch irgendwann mal, das liegt in der Natur der Sache, wenn man Dinge so lang macht. Routine killt alles. Aber ich mache es immer noch gern, zum Großteil. Sonst würde ich es auch nicht mehr machen. Und ich kann's eigentlich schon empfehlen. Aber ich glaube, dass es in der Form heute ganz, ganz schwierig ist, das noch mal aus dem Boden zu stampfen, außer es ist ein rein kapitalistisches Spiel. Dann ist es vielleicht einfacher, aber dann ist es kein Fan-Zine mehr, dann das halt kapitalistischer - wie heißt heute? - Start-up, wo man eben alles macht, was der Markt von einem verlangt. Kann man auch machen. Gibt es Schlimmeres, wie zum Beispiel Munition herstellen. Aber ich würde einfach ganz ehrlich sagen, wenn Leute sich überlegen was eigenes zu machen, dann sollen sie was Kleines machen, was überschaubar ist, was man bezahlen kann, wenn man 50 bis 100 Auflage und verteilennoder verkaufen sie an unsere Freunde oder so. Und wenn sie was Großes machen wollen, dann sollen sie sich mal überlegen, was was sie machen würden, was das Trust nicht macht und sollen sich einfach bei uns melden. 

Frieda Ahrens: 

Danke dir für das Gespräch und danke auch an alle Hörerinnen fürs Zuhören und auf Wiedersehen!

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Der Text wurde KI-gestützt transkribiert.