“Letztes Mal haben wir den Bunker Valentin als Thema festgelegt”, verkündet die Schriftstellerin Helene Bukowski. Die Hälfte der achten Klasse der Oberschule In den Sandwehen sitzt vor der Autorin und nickt. Es ist der zweite, aufgrund von Corona etwas verspätete, Workshop des Bremer Schulhausromans. Heute sollen die Figuren des gemeinsamen Romans entstehen. Damit nicht zu viele Schüler*innen in einem Raum sind, muss Helene Bukowski immer wieder zwischen zwei Klassenzimmern hin- und herwechseln. Keine leichte Aufgabe – aber es klappt.
Zuerst gibt es etwas zu lesen: Helene Bukowski hat einen Auszug aus dem Roman Ellenbogen von Fatma Aydemir mitgebracht. Den Achtklässler*innen gibt sie die Aufgabe, auf Auffälligkeiten zu achten und herauszufinden, was sie über die Ich-Erzählerin Hazal erfahren. Beiden Gruppen ist sofort klar: Der Text enthält sehr viele Beleidigungen. Auf die Frage hin, wie Hazal auf die Schüler*innen wirke, kommen Antworten wie: “dumm”, “crazy, weil sie ihre Mutter bestiehlt, obwohl sie weiß, wie streng die ist.“ Und Tyron ergänzt: “Warum klaut man Lippenstift? Den braucht man nicht zum Leben.” “Doch”, widerspricht Türkan energisch.
Nun geht es ans Schreiben: Helene Bukowski lässt ein Lied ertönen, das die jungen Autor*innen inspirieren soll. Die Beats fliegen durch den Raum, mal wird Spannung aufgebaut, mal wird es ruhiger. Die Jugendlichen neigen sich konzentriert über ihre Blätter und schreiben. Schließlich sammelt Bukowski die Seiten ein.
Um einen Anreiz für die Figurenentwicklung zu setzen, legt Bukowski Fotos von interessant-wirkenden Menschen auf den Tisch. Schnell sind zwei Bilder gefunden. Die Schüler*innen müssen sich zunächst allein Charaktereigenschaften und eine Biografie zu den Figuren ausdenken. Dann soll aus den einzelnen Biografien eine gemeinsame entstehen. Zum Hobby Rauchen wird Schminken hinzugefügt, aus “Er hat eine Zwillingsschwester” wird “Er hat seine Zwillingsschwester umgebracht.” Helene Bukowski freut sich: “Daraus wird eine spannende Geschichte.”
Nun erfüllt Schweigen den Raum. Nur die Geräusche der Kugelschreiber sind zu hören, die übers Papier fliegen. “Ich möchte euch bitten, die Texte an euren rechten Sitznachbarn weiterzugeben und die Geschichte weiterzuschreiben”, sagt Bukowski schließlich. Die Klasse stöhnt auf. “Meine Geschichte kann man gar nicht weiterschreiben”, sagt Tyron. Helene Bukowski ist anderer Meinung. Selbst nach dem Tod der Protagonisten könne es weitergehen. Die Schüler*innen beugen sich also abermals übers Papier und schreiben an ihren Texten. Sie sind mittendrin in der Story zu ihrem ersten gemeinsamen Roman.
Text: Lissi Savin