Wie schnell ist die Zeit verflogen! „Heute findet unser letzter Schreibworkshop statt, danach webt Tomasz Jedrowski die Fragmente eures bisher geschriebenen Romans zusammen“, verkündet Heike Müller, Leiterin des Literaturhauses, zu Beginn der Stunde. Plötzlich ist der 21. Juni, der Tag ihrer öffentlichen Buchpremiere in der Bremer Shakespeare Company, gar nicht mehr so weit weg. Die Aufregung der Schüler*innen steigt, doch Tomasz Jedrowski kann sie beruhigen.
Der aus Paris angereiste Schriftsteller setzt sich zu ihnen in die Runde und gemeinsam beginnen sie mit ihrem Morgenritual - einer Phantasiereise. Die Schüler*innen schließen die Augen und folgen Tomasz Jedrowski bei einem Gedankenflug von ihrer Schule bis hin zur Shakespeare Company, in der sie bald auftreten werden. Es ist mucksmäuschenstill im Raum, bis die Nachwuchsautor*innen wieder im Klassenzimmer gelandet sind und die Klangschale ertönt. Tomasz Jedrowski liest nun das Ende des Romans vor, das die Schüler*innen während einer Schreibaufgabe gemeinsam verfasst haben. Die Klasse erkennt schnell, dass der Schluss ihres Romans Parallelen zu den aktuellen politischen Ereignissen in der Ukraine aufweist. Der Autor erklärt ihnen, dass es ganz normal sei, dass die Dinge, die um einen herum geschehen, immer auch Einfluss auf das eigene Schreiben haben. Kurz darauf gibt ein Schüler sein erstes Interview, denn heute sind auch Vertreter*innen der Presse zu Besuch, die über das Projekt in der Zeitung berichten möchten.
Die Jugendlichen bekommen nun die Aufgabe, sich mit gravierenden Ereignissen in ihrem eigenen Leben auseinanderzusetzen und sich daran zu erinnern, wer oder was ihnen zum Zeitpunkt der Krise am meisten geholfen hat. Einige fangen sofort an zu schreiben, während anderen noch die Ideen fehlen. Tomasz Jedrowski geht zu einzelnen Schüler*innen und stellt anregende Fragen, bis nach und nach eine konzentrierte Stille eintritt. Wichtige persönliche Erlebnisse werden dem Papier anvertraut. Nach der Pause hat Tomasz Jedrowski die Essenz der geschriebenen Texte schnell extrahiert und liest einzelne Passagen vor. Die Klasse sammelt gemeinsam Ideen, um mit Veränderungen im Leben und den damit verbundenen Gefühlen gut umzugehen. Die Worte ,,Neuanfang“, „Miteinander“, „Zusammenhalt“ und „Hoffnung“ stehen an der Tafel. „Denn irgendwie geht es immer weiter, egal wie ausweglos die Situation erscheint“, erkennt eine Schülerin.
„Hoffnung“ heißt auch in der folgenden Stunde das Stichwort. Aufgabe ist es nun, wichtige Momente der Hoffnung in die Geschichte einfließen zu lassen. Die Jugendlichen setzen sich in kleinen Gruppen zusammen, um die Fortsetzung ihrer Geschichte zu schreiben, die eigentlich schon ihr Ende gefunden hat. Die Märzsonne scheint durch das Fenster, die Pressevertreter*innen sind längst wieder gegangen, aber in der 8E wird weiter getüftelt. Denn nach der Mittagspause steht noch die Abstimmung zum Titel ihres Romans auf dem Programm.
Text: Aileen Meyer