#99 Norman Aselmeyer und Virginie Kamche: „Die Folgen des Kolonialismus’ sind überall sichtbar in der Stadt“ [36:25]

10. Oktober 2024

Norman Aselmeyer und Virginie Kamche
© Frank Thomas Koch

Stadt der Kolonien. Wie Bremen den deutschen Kolonialismus prägte. So heißt der Sammelband, den Norman Aselmeyer und Virginie Kamche herausgegeben haben – und der kurz nach Erscheinen schon vergriffen war. Im Gespräch mit Anna Maria Stock erzählen sie, wieso Bremen maßgeblich zur Gründung des deutschen Kolonialreichs vor 140 Jahren beitrug und später wiederum in der Aufarbeitung des Kolonialismus' eine Vorreiterrolle einnahm. Was das mit dem Übersee-Museum, der Lüderitzstraße und dem Elefanten-Denkmal zu tun hat, das erfahrt ihr in dieser Folge.

Zum Nachlesen

Anna:
Diesmal mit Anna Maria Stock. Bremens Geschichte hat dunkle Flecken, denn sie ist eng mit dem Kolonialismus verbunden und damit auch mit all dem, was er mit sich brachte: Ausbeutung, Kriege, Rassismus, die Zerstörung indigener Kulturen. Bremen hatte dabei einen erheblichen Einfluss auf den gesamtdeutschen Kolonialismus und nahm dann aber auch in der Aufarbeitung an manchen Stellen eine Vorreiterrolle ein. Über all das kann man jetzt in einem Sammelband lesen. Der ist in diesem Sommer erschienen und heißt: Stadt der Kolonien. Wie Bremen den deutschen Kolonialismus prägte. Herausgegeben haben ihn Norman Aselmeyer und Virginie Kamche. Virginie Kamche arbeitet als Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung und ist außerdem Mitbegründerin des Afrikanetzwerks Bremen, in dessen Büro wir jetzt auch sitzen. Und Norman Aselmeyer ist Historiker. Bis vor kurzem hat er an der Uni Bremen gearbeitet, ist aber jetzt nach Oxford gezogen und uns deshalb per Video zugeschaltet. Hallo Virginie, hallo Norman. 

Virginie: 
Hallo Anna. 

Norman:
Hallo Anna. 

Anna:
Die erste Auflage des Buches ist schon vergriffen, eine zweite ist in Arbeit. Es scheint also ziemlich gut anzukommen, oder?

Virginie:
Ja, das kommt sehr gut an. Erstaunlich ist, dass die erste Auflage, die aus 1000 Büchern bestand, schon ausverkauft ist und die zweite Auflage ist schon auf dem Weg. 

Anna:
Und wieso kommt das wohl so gut an, das Buch? Ja, also das Thema Kolonialismus ist tatsächlich ein Thema, was auch viele Menschen interessiert. Und dann warum? Also Bremen arbeitet auch schon seit einigen Jahren an dieser Aufarbeitung. Und dann, man merkt es auch in den öffentlichen Diskursen, dort gibt es auch Diskussionen zum Thema. Und dann, ich glaube, viele Menschen wollen auch wirklich verstehen, woran liegt das. Und das ist auch ganz wichtig. Und das Thema ist auch sehr zugänglich, einfach zu lesen. Aber das kann auch Norman weiter sagen. 

Norman:
Ich glaube, tatsächlich war das Buch ein Riesenerfolg, ein Überraschungserfolg in erster Linie. Also der Verlag hat nicht damit gerechnet, dass das so stark verkauft wird. Also wir mussten den Verlag am Anfang tatsächlich überzeugen und überreden, dieses Buch überhaupt zu machen. Und dass jetzt tatsächlich, so, wie es aussieht, gerade sogar der zweite Nachdruck stattfindet, ist wirklich eine Überraschung. Und es zeigt, dass das Thema kein Nischenthema mehr ist. Im Bremer Rathaus glaubt man das noch, aber unsere Veranstaltung, die wir hatten, und jetzt der Erfolg des Buchs, zeigt: Das Thema ist längst aus dem Nischenbereich raus und es interessiert eine breite Bevölkerung in Bremen. Und das wird sich jetzt nicht mehr ändern, sondern das ist jetzt vielleicht auch ein Anfang, dieses Thema intensiver und stärker anzugehen. 

Anna:
Was war das denn für eine Veranstaltung? 

Norman:
Also wir haben das Buch vorgestellt. Es war eine Buchvorstellung am 15. August, drei Tage nach Erscheinen des Buches. Und wir hatten tatsächlich den gesamten Olbers-Saal im Haus der Wissenschaft voll. Und es waren mindestens noch 70, 80, 90 Leute vor dem Haus der Wissenschaft, die abgewiesen werden mussten und die nicht rein konnten. Und das war natürlich für Virginie und mich eine Riesenüberraschung und auch ein Schock, weil wir hatten mit ungefähr 50 Leuten gerechnet. Wir hatten ein Catering bestellt für 50 Leute und dachten schon, das ist vielleicht schon ein bisschen mutig. Und dass so viele Leute kamen und diese Buchvorstellung sehen wollten, das war ein tolles Gefühl.

Virginie:
Aber eher ein positiver Schock, ne? Das war wirklich sehr, sehr schön. Am Anfang haben wir 60 Stühle ungefähr vorbereitet, und irgendwann hatten wir so 80, und dann kamen viele Menschen. Es gab sogar, was mich total überrascht hat… Viele sind auch gekommen, weil sie ein gewidmetes Buch mitnehmen wollten. Die Buchhandlung hatte so circa 30 Bücher mitgebracht und 15 Minuten vor dem Beginn der Veranstaltung waren die Bücher ausverkauft.

Anna:
Wahnsinn. Dann lasst uns doch mal vielleicht inhaltlich in das Buch einsteigen. Wenn man das Buch anschaut, auf dem Cover, ist vorne das Elefanten-Denkmal abgebildet, ein historisches Foto davon. Das ist das Elefanten-Denkmal, das gleich in der Nähe, oder gleich hinterm Hauptbahnhof steht. Und ihr geht dann auch im ersten Absatz in eurem Vorwort, das ihr zusammen geschrieben habt, direkt darauf ein und eröffnet dieses Buch mit diesem Elefanten. Und es taucht auch im Buch immer wieder auf. Es wird immer wieder aufgegriffen, auch von anderen Autor:innen, in den Aufsätzen. Was hat es denn mit diesem Elefanten-Denkmal auf sich? 

Virginie:
Das Elefanten-Denkmal ist tatsächlich ein Symbol hier für Antikolonialismus, auch damals, ja. Also früher koloniales Denkmal und jetzt eher antikoloniales Denkmal, ja. 

Anna:
Also es wurde umgewidmet. 

Virginie:
Ja, das wurde umgewidmet. Und wir machen auch viele Veranstaltungen dort zum Thema Namibia und so. Und wenn man so diesen imposanten Elefanten dort hinter dem Bahnhof sieht, dann natürlich, ja… Manche wissen auch wirklich nicht, warum der da ist. Oder die, die das wissen, fragen sich dann, was macht der Elefant da? Und ich glaube, es ist wichtig, Menschen aufzuklären. Es ist auf jeden Fall ein Symbol des Kolonialismus’ – und das ganz sichtbar ist in der Stadt.

Norman:
Ja, darüber hinaus bündelt der Elefant das koloniale Gedächtnis in der Stadt. Also weil alle Phasen des Kolonialismus’ und der Aufarbeitung des Kolonialismus’ mit diesem Elefanten irgendwie verbunden sind. Es wurde gebaut als kolonial-revisionistisches Denkmal in den 30er-Jahren und sollte daran erinnern, wie erfolgreich die Deutschen eigentlich in den Kolonien waren und dass man die Kolonien zurückhaben wollte. Und dann Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre war es das Gegenteil davon. Nämlich es wurde auf einmal ein Symbol für die Aufarbeitung des Kolonialismus’ und sollte ein antikoloniales Mahnmal werden. Und das bündelt der Elefant. Und heute noch ist das eigentlich der Ort, an dem Bremen zeigt, dass es den Kolonialismus aufarbeitet und dass es das Thema ernst nimmt. Und deswegen steht es auch im Fokus des Buches und ist auf dem Cover des Buches. Und wir fangen das Buch damit an, weil es so symbolträchtig ist für die Stadt Bremen und deren Beziehung zum Kolonialismus. 

Anna:
Wenn man sich so auf Interviews vorbereitet, dann ist es immer schwierig zu entscheiden, über was redet man jetzt, über was redet man nicht. Man muss sich ja immer auf Dinge fokussieren. Bei diesem Interview, jetzt zu diesem Buch, ist es mir wirklich besonders schwer gefallen, weil da so wahnsinnig viele interessante Punkte und Aspekte drin sind, über die ich gerne reden wollen würde. (Aber wir haben halt nun mal nur eine halbe Stunde.) Weil nämlich dieses Buch ja 50 Aufsätze umfasst: Vielleicht könnt ihr da nochmal erzählen, wie ist dieses Buch aufgebaut? Also was wird da erzählt?

Norman:
Ja, wir hatten… Also ich muss gerade selbst überlegen. Die Idee war, dass wir möglichst viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens inkludieren in dieses Buch. Und wir dachten, wir bräuchten eigentlich einen Zugang, der es ermöglicht, dass man an jeder Stelle einsteigen kann. Also dass wir keine chronologische Gliederung haben oder irgendeine andere Gliederung, sondern tatsächlich, dass man immer einsteigen kann, wo auch immer man möchte. Dass man das Buch an jedem Ort, zu jeder Zeit irgendwie quer lesen kann. Und dann haben wir gedacht, es ist vielleicht ganz gut, Orte, Institutionen, Ereignisse, Personen zu wählen, sodass man einen schnellen Zugang hat und eine schnelle Übersicht gewinnt und dann auch sieht, wie umfangreich dieses Thema eigentlich war und wie viele Aspekte bremischen Lebens es tangiert. Und so ist diese Gliederung zustandegekommen und so haben wir dann auch Autorinnen und Autoren gesucht, um die Lücken zu füllen und um die Gliederung aufzufüllen mit Artikeln. 

Virginie:
Ja, ich wollte sagen, dass es wichtig uns war, dass wir auch eine Vielfalt von Stimmen darstellen. Und Norman und ich, wir haben so ungefähr 100 Beiträge bekommen. Wir haben die aussortiert dann, leider… Ja, vielleicht kommt das in dem zweiten Buch. 

Anna:
Es gibt ein zweites Buch? 

Virginie:
Vielleicht. lacht Aber das war auch wichtig, weil das Buch durfte nicht mehr als 288 Seiten haben. Deswegen haben wir die 50 Beiträge aussortiert, aber die wirklich aussortiert, sodass wir auch wirklich verschiedene Perspektiven anbieten. Und das ist was, was ich auch gut finde in diesem Buch. 

Anna:
Ja, da ergibt sich wirklich ein ganz breites, facettenreiches Panorama, kann man sagen, kolonialer Geschichte, aber eben auch der postkolonialen Aufarbeitung, wenn man das so sagen kann. Das ist natürlich jetzt ganz schwierig, das in ein paar Sätzen zu sagen, aber vielleicht nur ganz grob als Idee oder so: Wieso war und ist Bremen denn nun eine „Stadt der Kolonien“?

Norman:
Also zuerst spielt das natürlich auf den selbst kreierten Mythos Bremens an. Also Bremen wollte selbst Stadt der Kolonien sein. Das war eine Bewegung in den 30er-Jahren. Ende der 30er-Jahre, als die nationalsozialistische Regierung in Bremen wollte, dass man den Titel „Stadt der Kolonien“ trägt. Und man wollte sich so ein bisschen abgrenzen gegenüber Hamburg und sagen, also Hamburg hat sich selbst als Tor zur Welt gesehen und in Bremen dachte man, ja, wir sind die Stadt der Kolonien. Und das geht zurück auf diesen Lüderitz-Mythos. Also man hat in Bremen dann ab den 30er-Jahren den Mythos um Lüderitz kreiert und gesagt: Also in Bremen liegt der Anfang des deutschen Kolonialreichs mit Lüderitz, der damals mit der Kolonie Deutsch-Südwestafrika eigentlich das Kolonialreich anfing – und in Bremen soll das zweite Kolonialreich wieder anfangen. Also in Bremen fing es an, das erste Kolonialreich und das zweite Kolonialreich soll auch wieder von Bremen ausgehen, nachdem Deutschland nämlich die Kolonien 1919 verloren hatte. Das war ein Ziel der Nationalsozialisten, relativ lang noch. Bis Anfang der 40er-Jahre wollten die Nationalsozialisten die Kolonien zurück und das sollte von Bremen ausgehen. Und Bremen hat dann eine Reihe von Institutionen gegründet, wie zum Beispiel das Überseemuseum umbenannt in ein „Deutsches Übersee- und Kolonialmuseum“. Es gab das Lüderitz-Museum in der Böttcherstraße. Man hatte eine Reichskolonialkonferenz oder -versammlung in Bremen 1938. Es gab eine Kolonialschule, die man gegründet hat und so weiter und so fort. Und da fällt auch der Titel „Stadt der Kolonien“ rein. Das ist erst mal so ein Eigenname, den man sich gegeben hat. Wir haben den aber aufgenommen, weil Bremen tatsächlich wichtig war im Kolonialismus und Bremen eine Triebkraft war der kolonialen Bestrebungen deutschlandweit. Und deswegen spielen wir so ein bisschen mit dem Titel. Einerseits als Infragestellung des Mythos’, aber andererseits auch, um die Rolle Bremens herauszuheben im deutschen Kolonialismus. 

Anna:
Ja, Stichwort Lüderitz: Also der taucht ja auch ständig auf in diesem Buch und in den Aufsätzen. Also der scheint ja wirklich auch eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Wer war denn dieser Adolf Lüderitz?

Norman: 
Also Lüderitz war ein Bremischer Kaufmann, der in eine Kaufmannsfamilie hineinwuchs, die vor allem mit Tabak Geld machte. Und Lüderitz hatte in den 1880er Jahren irgendwann die Idee, sich in Afrika auszubreiten. War zuerst in Togo und Kamerun unterwegs, also was später Togo und Kamerun wurde, und schickte dann seinen Handelsvertreter Vogelsang nach was später Deutsch-Südwestafrika wurde, und ließ ihn dort Land erwerben. Und dieser Landerwerb ist wirklich spektakulär und sehr bekannt, weil er nämlich betrügerisch vonstatten ging. Und er steht sozusagen symbolisch für zwei Dinge. Einerseits dafür, wie der Kolonialismus insgesamt lief, nämlich, dass man die Leute entrechtete, ihnen Dinge vorgaukelte, um bestimmte Verträge zu schließen. Also es steht dafür, wie der Kolonialismus insgesamt lief, nämlich als Unrechtsregime, das nicht fair mit den Menschen umging. Und auf der anderen Seite war das aber auch der Anfang des deutschen Kolonialreichs, weil Lüderitz unbedingt darauf drängte, dass Bismarck seine Erwerbungen schützte, weil die Briten Interesse hatten an dem Land und Lüderitz unbedingt wollte, dass die unter Schutz des Staates gestellt wurden und dass sein Erwerb und seine Aktivitäten dort institutionalisiert, aber auch staatlich geschützt werden. Und er warb deswegen bei Bismarck darum, dass Bismarck diese Ländereien unter Schutz des Staates stellte. Und das machte Bismarck dann auch in einem Telegramm im April 1884, also genau vor 140 Jahren. Deswegen passte das auch irgendwie symbolisch sehr gut, dieses Buch zu veröffentlichen, weil tatsächlich genau vor 140 Jahren dieses deutsche Kolonialreich anfing. Und vor 120 Jahren der Völkermord in Namibia war, der unmittelbar zusammenhängt mit dem Landerwerb von Lüderitz und der Gründung der Kolonie in Deutsch-Südwestafrika.

Anna:
Nun gibt es ja bis heute eine Lüderitzstraße in Bremen. Und es gab aber ja immer wieder Proteste und Bestrebungen, diese Straße umzunennen. Auch dazu gibt es ein Kapitel in dem Buch. Welche Rolle spielen denn die Debatten um diese Straßennamen? Denn die Lüderitzstraße ist ja auch nur ein Beispiel. Es gibt mehrere Straßen, zu denen es da Debatten gibt. Welche Rolle spielen die in der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Bremens und vielleicht auch darüber hinaus? 

Virginie:
Ja, die Diskussion zu Straßenumbenennungen ist ein bisschen schwierig. Zum Teil kann ich auch verstehen, wenn die Leute nicht den ganzen Papierkram nochmal von vorne anfangen wollen. Und dennoch: Man erinnert an Verbrecher. Und das ist auch wirklich, glaube ich, nicht so gut, weil es ist ein Podium, das man anbietet und man denkt ja, sie haben was Gutes gemacht, obwohl es wirklich total schrecklich war. Es war nicht gut, was sie gemacht haben, die Menschen zu unterdrücken, oder die Sachen zu klauen. Das war wirklich nicht gut. Deswegen verstehe ich auch wirklich nicht, zum Teil, dass das so schwer ist, die Namen von diesen Verbrechern aus den Straßen zu nehmen. Wie gesagt, es ist auch gut, die Geschichte zu verstehen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Deswegen bin ich auch wirklich hin und her gerissen, wie man es richtig macht.

Anna:
Also das heißt, diese Debatten sind halt insofern gut, als dass da zumindest das Thema dann beackert wird?

Virginie:
Ja, auf jeden Fall ist es auch gut, das in der Öffentlichkeit zu diskutieren und dann zusammen einen Kompromiss zu finden, der gut für alle ist. Kollektive Zusammenarbeit finde ich wirklich ganz wichtig. 

Norman:
Also ich war kürzlich auf einer Veranstaltung in Walle, wo es tatsächlich um diese Straßenumbenennungen ging. Und Walle ist da ja besonders sichtbar, weil es dort noch wirklich viele koloniale Straßennamen gibt. Und was mich erstaunte, ist tatsächlich, wie emotional die Menschen mit diesem Thema Straßennamen umgehen. Und ich glaube es liegt ganz oft daran… Klar, also Straßennamen haben was mit der Identität zu tun. Leute wachsen in Straßen auf und leben in diesen Straßen und leben dort 50, 60 Jahre und sehen dann die Problematik nicht. Und ich habe ganz oft das Gefühl – und das ist auch der Ansatz, den wir im Buch haben – zu sehen, dass obwohl das Thema so eine große Rolle spielt, also in Debatten, in der Gesellschaft, jetzt wie auch zum Beispiel in Walle, dass das Wissen aber nicht gestiegen ist. Und das sieht man ganz oft, wenn man sich mit den Leuten unterhält. Zu Fragen wie: Wer ist denn eigentlich Carl Peters? Wer ist denn eigentlich Lüderitz? Warum steht ihr hier in der Waterbergstraße? Warum ist die hier? Und die Leute gar nicht wissen, was damit verbunden ist und gar nicht den Hintergrund kennen. Und ich glaube, deswegen ist dieses Buch so wichtig. Dass man an vielen Aspekten und an vielen Personen nochmal zeigen kann: Welche Rolle hatten die eigentlich? Was haben die gemacht? Und warum sollte diese Straße jetzt umbenannt werden? Umbenennungen sind aber nur ein Aspekt von Aufarbeitung des Kolonialismus’. Also es gibt ja… Wir hatten jetzt Debatten um die Restitution, wir haben jetzt Debatten um, was ist eigentlich das Postkoloniale? Wie gehen wir mit der globalen Ungleichheit um zwischen Nord und Süd? Und so weiter und so fort. Also es gibt ganz viele Aspekte. Und davon ist natürlich, würde ich sagen, die Umbenennung von Straßennamen einer der emotionalsten. Aber deswegen nicht weniger wichtig. 

Virginie: 
Ich wollte auch sagen, wie Norman schon gesagt hat: Die Folgen von Kolonialismus sind überall sichtbar in der Stadt. Und wir haben auch am Bahnhof dieses Mosaik, was wirklich noch eine Darstellung von Kolonialismus ist. 

Anna:
Was ist das für ein Mosaik? 

Virginie:
So ein Mosaik von… Norman, kannst du mir helfen? lacht

Norman:
Ja, das ist von dem Tabakhändler Brinkmann und das zeigt… Ich weiß nicht, ob du das kennst, in der Eingangshalle, im Foyer ist, ganz oben… Also da ist die Anzeigetafel und da drüber ist so ein Mosaik und das zeigt den Tabakhandel. Da läuft man die ganze Zeit blind dran vorbei, aber das ist wirklich ganz sichtbar, ganz groß. Wenn man genau hinguckt, ist es sozusagen eine positive Darstellung des Kolonialhandels und des Abbaus von Tabaks. Und alles ist toll, nämlich alles ist Handel. Und dann ist da auch eine Handelsfigur und man sieht Schiffe und so weiter. Aber das Problematische des Kolonialismus’ wird gar nicht adressiert. 

Virginie:
Solche Mosaike auch heute zu sehen… Wir denken, dass das auch dazu führt, dass dieses Thema wieder reproduziert wird, dass Menschen damit noch identifiziert werden und entsprechend behandelt werden. Und das ist wirklich nicht gut. Wir wollen alle keinen Kolonialismus mehr haben. Und deswegen ist es auch wirklich wichtig, die Geschichte nicht unbedingt wegzurasieren, aber sie wirklich zu reflektieren. Ja, was machen diese Straßennamen, was macht das heute mit den Menschen? Ja, deswegen ist es auch ganz wichtig, darüber zu diskutieren.

Anna:
Nicht nur bei den Straßennamen, sondern auch sonst dreht sich Kolonialgeschichte ja meistens um Männer. Also wir haben jetzt von Lüderitz, zum Beispiel, gesprochen. Männer, die diesen kolonialen Handel und auch die imperialistischen Bestrebungen und so vorangetrieben haben. Im Buch wird aber auch in zwei Kapiteln die Rolle der Frauen behandelt. Und was ich da total spannend fand: Erstens finde ich, zeigt es, wie differenziert die Herangehensweise von dem Buch ist. Und zweitens finde ich da total spannend, wie da… Auf der einen Seite waren das dann ja meistens bürgerliche Frauen, also zum Beispiel Hedwig Heyl oder Sonny von Engelbrechten, über die geschrieben wird. Die waren emanzipierte Frauen, die Dinge auf die Beine gestellt haben. Aber sie haben sich halt in Sachen Kolonialismus engagiert. Ja, in welchem Verhältnis steht denn da diese Frauenbewegung zu der kolonialen Bewegung?

Norman: 
Das ist ein Verhältnis, das noch gar nicht gut untersucht ist. Und es war tatsächlich schwierig für uns, für Virginie und mich, Autor:innen zu finden, die sich dem Thema widmen, weil das enorm schlecht aufgearbeitet ist. Hedwig Heyl ist besser aufgearbeitet. Sonny von Engelbrechten war wirklich schwierig. Und ich freue mich, dass Lisa Hellriegel und Veronika Settele den Artikel geschrieben haben und sich da im Archiv vergraben haben, um diesen Artikel zu schreiben. Tatsächlich ist das Verhältnis schwierig zu interpretieren. Einerseits, weil man glaubt, es war die Zeit der ersten Frauenbewegung und es ging um Emanzipation und es ging um Liberalisierung der Frauenrechte. Aber dass dies teilweise auch über Engagement für die Kolonien passiert ist, ist natürlich im ersten Moment widersprüchlich, aber steht genau für diese erste Frauenbewegung, in ihrer Ambivalenz. Also es ging um Emanzipierung und diese Emanzipierung wurde gerade von bürgerlichen Frauen über Engagement für die Kolonien durchgeführt. Und das hatte zwei Folgen. Einerseits führte es dazu, dass sie durch das Engagement der Frauen eine größere Sichtbarkeit und Legitimität in der Gesellschaft erlangten durch ihr Engagement für die Kolonien, und auf der anderen Seite sie aber auch gleichzeitig den Kolonialismus durch ihr Engagement legitimierten. Und das ist ein Wechselverhältnis, das enorm wichtig ist. Und auch interessant, weil eigentlich am Anfang des Kolonialismus’ Frauen gar nicht so engagiert waren und man noch gar nicht wollte, dass Frauen dabei sein sollten. Man hat gesagt, das ist zu gefährlich und das Klima und so weiter und so fort. Und das fing dann tatsächlich erst 1907 an, als sich der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft gründete, der bis 1914 um die 20.000 Mitglieder hatte und in fast 150 Abteilungen deutschlandweit organisiert war. Und es ging vor allem darum, dass man Frauen beteiligte an dem Aufbau von Siedlungskolonien, vor allem in Deutsch-Südwestafrika. Und da sind zwei Frauen tatsächlich wichtig. Da ist einerseits Hedwig Heyl, die aus Bremen kommt und dann später die Vorsitzende des Frauenbundes wurde, deutschlandweit, von 1920 an. 

Anna:
Zu Hedwig Heyl gibt es ja sogar auch eine Straße, in Bremen, ganz in der Nähe der Lüderitzstraße, tatsächlich. 

Norman:
Genau, es erinnert eine Straße an sie. Und sie war wirklich wichtig, weil sie von 1910 bis 1920, also noch in der Phase, wo es die deutschen Kolonien gab, war sie Vorsitzende des Frauenbundes der deutschen Kolonialgesellschaft und setzte sich vor allem dafür ein, dass deutsche Frauen in die Kolonien gingen, das war ihr Hauptanliegen, und damit natürlich irgendwie Deutschtum mit nach, zum Beispiel, Namibia brachten. Und dann hatten wir aber in Bremen noch die Sonny von Engelbrechten, die hier die Vorsitzende war des Kolonialvereins, der sich 1910 gründete. Auch eine bürgerliche Frau, die sich dafür einsetzte, dass Bremer Frauen in die Kolonien gehen und dass die Kolonien von Bremen aus unterstützt werden. 

Anna:
Noch vielleicht ein anderer Punk, was ich auch total spannend fand, was mir nochmal bewusst geworden ist, durch die Lektüre des Buches: Wxie eng eben auch die städtebauliche Entwicklung Bremens mit ihrer Kolonialgeschichte zusammenhängt. Also dass zum Beispiel der Ausbau der Weser und der Bau des Überseehafens eine Folge des expandierenden Kolonialhandels waren oder dass sogar die Gründung Bremerhavens im Jahr 1827 damit zusammenhing. Und was ich da ganz spannend finde: Es gibt einen Aufsatz in dem Band, wo das Verhältnis zwischen Bremen und Bremerhaven auch als ein kolonialistisches Verhältnis betrachtet wird und auch unter die Kolonialismus-Definition genommen wird. Was hat es damit auf sich?

Norman: 
Also man versucht, die Kolonialismus-Idee zu übertragen auf das Verhältnis von Bremen und Bremerhaven. Das passt eigentlich auch ganz gut, weil Bremerhaven als Stadt nicht eigenständig war, sondern die ganze Zeit unter der politischen, ökonomischen und verwaltungstechnischen Kontrolle Bremens lag. Und es wurde tatsächlich im 19. Jahrhundert als so etwas wie eine Hafenkolonie gegründet. Deswegen auch der Name, der ja bis heute bekannt ist. Und das war aber – wie ich gerade schon gesagt habe – auf verschiedener Ebene ein Abhängigkeitsverhältnis. Politisch: Die Entscheidungen wurden in Bremen getroffen. Wirtschaftlich: Die ganzen Einnahmen flossen nach Bremen. Aber auch sozial. Also Bremerhaven war tatsächlich eine segregierte Kolonie, wo es darum ging, all die Personen aus Bremen rauszuhalten, die man nicht in Bremen haben wollte. Das hatte man in anderen Hafenstädten genauso. Es gab immer wieder Viertel, wo sozial segregiert wurde. Zum Beispiel in Hamburg das Gängeviertel, das ist ganz bekannt. Und in Bremen hatte man dann halt Bremerhaven, wo man die Leute hatte, die man nicht in der Stadt hatte. Da ist auch ein Zitat in dem Beitrag, in dem es heißt: In Bremerhaven findet sich das Gesindel aus aller Herren Länder zusammen. Also wo es sozusagen um die sozialen Unterschiede geht, die man in der Gesellschaft hat. Also in Bremen das Bürgertum und dann in Bremerhaven die Arbeiter, die Matrosen und so weiter, die diese ganze Hafenwirtschaft bedienen. 

Anna:
Und die ja auch den Reichtum der Bremer Kaufleute erarbeiten. 

Norman:
Absolut, ganz genau. 

Anna:
Und dann vielleicht auch noch ein Punkt, weil der auch schon anklang vorhin: Und zwar die Rolle der Museen. Es gibt mehrere Artikel in dem Buch, in denen die Rolle der Museen beschrieben wird, sowohl zu Kolonialzeiten, als es um die Sammlung und die Anhäufung von kolonialen Gütern und Artefakten ging, als aber eben auch dann um die Rolle in der Aufarbeitung, die diese Museen heute spielen. Zum Beispiel gibt es einen Artikel, den die Direktorin des Focke-Museums geschrieben hat, Anna Greve. Und zwar beschreibt sie da eine geplante Ausstellung zur Geschichte Bremens, in der die koloniale Vergangenheit sichtbar werden soll. Und dann gibt es einen Artikel – und das war mir nämlich auch nicht bewusst – über Herbert Ganslmayr, der von 1975 bis 1991 Direktor des Bremer Überseemuseums war und der deutschlandweit eine Vorreiterrolle einnahm, was die sogenannte Restitutionsfrage anging, also die Frage nach der Rückgabe kolonialer Güter in ihre Herkunftsländer. Was war das Verdienst von Ganslmayr? 

Norman: 
Im Ankündigungstext des Buches steht, dass Bremen seit den 70er-Jahren Pionier ist in der Aufarbeitung des Kolonialismus. Und Ganslmayr spielt xda eine entscheidende Rolle. Eigentlich geht es schon ein bisschen früher los. In den 50er-Jahren hat Bremen einen Schädel zurückgegeben nach Tansania. Nicht ganz freiwillig, aber die erste Restitution von Human Remains ging tatsächlich von Bremen aus, nach Tansania. 

Anna:
Spannend. 

Norman:
In den 70er-Jahren ging dann die Aufarbeitung los. Wir haben das schon gerade angesprochen mit der Umbenennung von Straßennamen. 1979 sollte die Lüderitzstraße umbenannt werden. Und Ganslmayr, der 1975 Direktor des Überseemuseums wurde, war ganz engagiert in dieser Aufarbeitung und Adressierung des Kolonialismus’. Eine Frage für ihn als Museumschef war, erstens, das Museum zu ändern. Es war nicht mehr eine Schau, wie sieht Afrika aus oder wie sehen die Dritte-Welt-Länder aus, sondern wodurch sind es Dritte-Welt-Länder? Also es sollten dort die Länder selbst zur Sprache kommen. Das war eine seiner Ideen. Das andere war, dass er sagte, wir müssen geraubte Güter zurückgeben. Und er war Autor dieses Buches „Nofretete will nach Hause“, das für Schlagzeilen sorgte. Aber auch durch weitere Artikel und Auftritte hat Ganslmayr dafür gesorgt, dass er zu einer Persona non grata wurde unter deutschen Museumsmachern und -macherinnen, weil er die Idee vertrat, dass Großteile der Sammlungsgüter wieder zurück müssen. Und er war auch nicht sehr erfolgreich, weil er einer der wenigen war, die sich tatsächlich dafür einsetzten und keine Unterstützung, weder politisch noch unter Museumskollegen, fand. Die Autorin Anna Valeska Strugalla hat auch jetzt gerade ihre Dissertation vorgelegt. Das wird das Bild von Ganslmayr nochmal stärken als derjenige, der wirklich einer der Vorkämpfer der Restitution war. Und das ist auch wirklich interessant, weil wir führen diese Debatte seit einigen Jahren, seit der französische Präsident eine Rede gehalten hat und gesagt hat, wir müssen Dinge zurückgeben, aber die Fäden reichen eigentlich bis in die 70er-Jahre nach Bremen zurück. 

Anna:
Und das ist natürlich spannend, dass es dann letztendlich von Bremen ausging. 

Norman:
Das Interessante ist tatsächlich, dass das zivilgesellschaftliche Bewegungen waren, an verschiedenen Stellen. Also einerseits haben wir im Museum Ganslmayr, als Person. Wir haben das bei der Umbenennung der Lüderitzstraße, da haben wir zivilgesellschaftliche Bewegungen dabei, das Bremer Afrika-Archiv, wir hatten die Anti-Apartheids-Bewegung, wir hatten Sozialistische Kirchenvereine, aber auch zum Beispiel die Frauen gegen Apartheid. Bei der Umbenennung des Elefanten waren es vor allem afrikanische Studierendengruppen, die sich dafür einsetzten. Also wir sehen, dass an verschiedenen Stellen in der Stadt Gruppen zusammenarbeiteten, um was zu verändern. Und dass die Politik das natürlich in Bremen in den 70er- und 80er-Jahren auch stark unterstützte. Das ist vielleicht etwas, was heute nicht mehr so passiert. Also in Bremen glaubt man heute, das ist ein Selbstläufer, das soll die Gesellschaft mal alleine übernehmen, die Politik muss da nicht viel tun. Das führt aber dazu, dass einige Entwicklungen ins Stocken geraten und nicht wirklich Auftrieb erlangen, wie sie das hätten haben können oder wie das hätte passieren können. 

Anna:
Vielleicht nochmal jetzt zum Ende: Wenn man über Kolonialismus schreibt oder spricht, wie wir das jetzt auch gerade tun, wie schafft man das denn, ohne dabei dann wieder koloniale Denkmuster zu reproduzieren? 

Virginie:
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir alle einen Perspektivwechsel schaffen. Und dann, das habe ich vorhin gesagt, dass wir diese Straßennamen oder diese Bilder, die leider heute noch zu sehen sind, vermeiden… Dass wir reflektieren. Und dann versuchen mal wirklich anders zu reden. Weil ich sage immer, das ist wirklich sehr schmerhaft, vor allem, wenn man betroffen ist. Das tut sehr weh und ich glaube, es ist auch schwer für die anderen, nachzuvollziehen, wie das ist. Ja, das ist auch normal, kann ich sagen. Und wichtig ist auch, die Stimmen an andere Menschen zu geben, dass das wirklich möglichst vielfältig ist, um verschiedene Perspektiven zu haben. Und nicht vergessen, dass auch Vorbilder für manche Leute… Also Vorbilder sind überhaupt für uns alle wichtig. Und ich glaube, wenn wir zusammen denken, dann glaube ich, schafft man das… Also ich kann wirklich sagen… Ich rede immer gerne von Beispielen: Norman Aselmeyer und Virginie Kamche, denke ich, waren wirklich ein gutes Team. Ich sage das wirklich ehrlich, ich habe das Gefühl, dass wir wirklich auf Augenhöhe arbeiten. Und das ist wirklich selten. Ich mache ganz viel hier in der Stadt und da spüre ich das auch nicht immer. Und Norman hat gezeigt, dass es möglich ist. Wir brauchen solche Teamarbeit, das ist wirklich ganz wichtig. Wertschätzung ist für uns auch wirklich ganz, ganz wichtig, sie ist für jeden Mensch sehr wichtig. Wenn man wirklich merkt, dass man sich wertgeschätzt fühlt, dann ist man auch motiviert, wirklich mitzuarbeiten, etwas zu machen. Aber wenn das nicht der Fall ist, wenn man das Gefühl hat, ja, eigentlich wollen wir dich hier haben, aber was du sagst oder was du machst, interessiert uns nicht – das spürt man, das ist nicht so motivierend.

Anna:
Und hast du denn das Gefühl, dass du mit dem Thema Kolonialismus hier in Bremen im Großen und Ganzen auf fruchtbaren Boden triffst? Dass du da gewertschätzt wirst in deiner Arbeit?

Virginie:
Es ist eine wirklich sehr, sehr lange Arbeit, die wir mit unserem Netzwerk machen und natürlich auch mit anderen. Ja, nicht nur mit dem Afrika-Netzwerk Bremen, auch mit anderen Menschen, anderen Netzwerken. Und das ist wirklich ein langer Prozess. Ich höre immer: Kolonialismus hat so ungefähr 500 Jahre gedauert und dann möchtest du das jetzt in, keine Ahnung, so und so vielen Jahren aufarbeiten?! Das geht nicht. Es ist ein langer, langer, langer Prozess und ich bin froh… Ja, natürlich möchte der Mensch auch immer viel mehr haben, aber ich bin froh, dass wir… Ich kann schon auch sagen, wir bewegen auch ganz viel. Ja, wir bewegen ganz viel in Bremen, aber das ist wirklich nicht ausreichend. Was wir uns vor allem wünschen, ist, dass die Politik auch mal ein bisschen mehr Geld in den Bereich gibt. Dass nicht nur wir, sondern alle Menschen, die in diesem Bereich sind, dass sie mehr Geld bekommen. Es ist wirklich wichtig, diese Aufarbeitung weiter zu machen, weil es ist notwendig, die Geschichte zu kennen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Wenn man diese Geschichte nicht kennt, dann wird man denken, ja, ich habe nichts damit zu tun. Wir haben alle nichts damit zu tun. Die Menschen, die das gemacht haben, leben heute nicht mehr. Aber trotzdem, die Auswirkungen verfolgen uns bis heute und deswegen finde ich es auch wichtig, dass vor allem die Regierung, dass die Stadt diese Verantwortung auch wirklich übernimmt und das weitermacht. Ich weiß, dass es jeden 11. August eine Gedenkveranstaltung zum Thema Namibia gibt, zum Völkermord an den Herero und Nama. Das ist schon mal gut, aber das reicht wirklich überhaupt nicht aus. Da muss man noch viel, viel, viel, viel mehr machen, damit wir in Frieden leben können. Und man redet auch noch von politischen Instabilitäten in ehemaligen Kolonien oder wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Das hat alles Wurzeln in den Kolonien. Und wenn wir nicht darüber sprechen, nicht versuchen, das aufzuarbeiten, dann werden wir lebenslang Probleme haben. Wir können über diese Ungleichheiten, die wir auch jetzt spüren, reden. Wir können auch über globale Gerechtigkeit reden. Aber wenn wir nicht versuchen, das umzusetzen, dann wird es nur, Entschuldigung, nur Theorie. Wir wollen keine Theorie. Wir wollen wirklich, dass die Dinge umgesetzt werden, damit wir, wie gesagt, alle besser zusammenleben können. 

Anna:
Ich glaube, das ist ein richtig gutes Schlusswort für dieses Interview. lacht Außer ihr beiden habt jetzt noch irgendwas, das ihr ganz dringend loswerden wollt zu diesem, eurem Buch?

Norman: 
Ich habe noch tausend Sachen, die ich gerne loswerden würde.

Anna: 
Ich auch. 

Norman: 
Aber ich glaube, das Problem ist, dass dieses Thema super abstrakt ist. Das hat Virginie gerade gesagt. Wir sprechen über globale Ungleichheiten und Instabilitäten von anderen Ländern und so weiter. Und deswegen ist es so wichtig, das lokal zu verankern. Also wenn man sieht, was Bremen damit zu tun hat, dass das passiert ist und wie das heute ist, dann hilft das, glaube ich, Leuten, besser zu verstehen, was dieser Kolonialismus eigentlich bedeutet. 

Anna: 
Ja, vielen Dank für euer Engagement, vielen Dank für dieses Buch und auch euch stellvertretend für all die unzähligen Autor:innen, die Artikel geschrieben haben in diesem Buch. Und ich habe wahnsinnig viel gelernt über die Stadt. Also ich gehe mit anderen Augen durch Bremen, tatsächlich, jetzt wo ich das gelesen habe. Weil ich manche Straßennamen besser einordnen kann, kritischer sehe, weil ich auch überhaupt die Pracht dieser Stadt, die sie ja an vielen Stellen hat, viel kritischer sehe und nochmal viel mehr verstehe, wo die überhaupt herkommt. Also, vielen Dank euch beiden, liebe Virginie, lieber Norman, für dieses Buch und für dieses schöne Gespräch. 

Virginie: 
Danke, liebe Anna. Ich habe mich sehr, sehr gefreut und: Das Buch kannst du auch mal weiterempfehlen. lacht 

Anna:
Habe ich sogar schon getan. lacht 

Norman:
lacht Ja, auch von mir: Vielen Dank und ich freue mich, dass wir hier dabei sein konnten. 

Anna:
Und auch euch, lieben Hörer:innen, wie immer, danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal. 

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Der Text wurde KI-gestützt transkribiert.